zum Hauptinhalt

Politik: Rüstungsexporte: Munition gegen Fischer (Leitartikel)

Wer kämpft, riskiert zu verlieren - wer nicht kämpft, hat schon verloren: Mit dieser Erkenntnis haben sich die Grünen immer wieder Mut gemacht. Dabei verhält es sich bei dem neuesten Streit um die Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei genau anders herum, als die Spruchweisheit es will: Je mehr die Grünen kämpfen, desto deutlicher wird ihre Niederlage.

Wer kämpft, riskiert zu verlieren - wer nicht kämpft, hat schon verloren: Mit dieser Erkenntnis haben sich die Grünen immer wieder Mut gemacht. Dabei verhält es sich bei dem neuesten Streit um die Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei genau anders herum, als die Spruchweisheit es will: Je mehr die Grünen kämpfen, desto deutlicher wird ihre Niederlage. Die wirkliche Welt tut ihnen nicht den Gefallen, sich an das Schwarz-Weiß-Konstrukt der Richtlinien zu halten. Wenn außenpolitische Verantwortung und grüne Parteiinteressen in Widerspruch geraten, dann heißt der Verlierer immer: Joschka Fischer.

Das könnten die Grünen mittlerweile gelernt haben. Denn immerhin ist der Streit um die Munitionsfabrik schon die dritte Runde im Ringen um Rüstungsexporte. In der ersten Runde, im Herbst 1999, hätte ein Panzer zur Probe für die Türkei fast zum Koalitionsbruch geführt. Am Ende wurde der "Leopard II" geliefert. Erstens wegen der Bündnistreue zum Nato-Partner, zweitens wegen der Jobs in Deutschland, drittens unter dem Hinweis, dass sich der "Leo" nicht für den Einsatz in den kurdischen Bergen eigne. Als Trostpflaster für die Grünen wurden die Export-Richtlinien verschärft: keine Lieferung bei Menschenrechtsbedenken, keine Lieferung in Spannungsgebiete. Einhellig versicherte die Koalition, das Hauptgeschäft mit den "Leos" sei erst denkbar, wenn der Umgang mit den Kurden sich bessere.

Runde zwei folgte im März. Kurz vor dem Karlsruher Parteitag der Grünen rasselte der "Leo" erneut durch die Medien: Krauss-Maffei habe die Voranfrage für das Hauptgeschäft gestellt. Zugleich wurde bekannt, die Arabischen Emirate wollten mehrere "Fuchs"-Spürpanzer kaufen. Das war zwar ein willkommener Anlass, um mit einer markigen Absage an die Panzer-Geschäfte die Reihen zu schließen und Identität zu zeigen. Aber in der Freude über solche Scheinstärke ging unter, was der "Fuchs" eigentlich gezeigt hatte: Schärfere Exportrichtlinien sind nicht automatisch glaubwürdiger. Der Persische Golf ist ein Spannungsgebiet, die Emirate sind keine Demokratie, also darf man nicht liefern. Doch der Spürpanzer dient der Abwehr von Giftgas, das Saddam Hussein schon mehrfach eingesetzt hat. Die Grünen hören es nicht gerne, dass die Verweigerung bestimmter Waffen moralisch fragwürdiger sein kann als die Lieferung.

Und nun die Munitionsfabrik. Mit Blick auf die Kurden sind Patronen viel problematischer als der "Leo"; das türkische Militär wird sie mit Sicherheit einsetzen, wenn nötig, auch in Kurdistan - wie jeden Geländewagen, den bisher niemand auf den Export-Index setzen will. Das Projekt sei noch von der Vorgängerregierung gebilligt worden, verteidigen sich die Grünen. Diesmal bohrt nicht Verteidigungsminister Scharping, sondern Wirtschaftsminister Müller in der Wunde: Auch jetzt habe der rot-grüne Bundessicherheitsrat zugestimmt. Wieder fühlen sich führende Grüne von Joschka Fischer zu spät und zu wenig informiert.

Doch für Fischer ist es ja noch viel schlimmer. Als Grüner müsste er dagegen sein, als Außenminister jedoch dafür. Denn es geht um die Kaliber-Umstellung in allen Nato-Staaten von 7,62 auf 5,56 Millimeter. Die Türkei davon ausnehmen? Da könnte er gleich ihren Ausschluss aus der Nato fordern.

Rot-Grün verfährt derzeit nach dem Motto: Die SPD bekommt die Rüstungsexporte, und die Grünen bekommen die wirkungslosen Richtlinien. Wenn die Grünen sich politisch ernst nehmen, sollten sie sich von dieser merkwürdigen Arbeitsteilung verabschieden: Schluss mit dem Richtlininismus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false