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Russland: Ein Polizist packt aus

Alexej Dymowski, ein 32-jähriger Polizeimajor aus Noworossijsk erhebt schwere Korruptionsvorwürfe gegen seine Vorgesetzten. – jetzt droht ihm Ungemach.

Ein russischer Polizist sorgt mit Korruptionsvorwürfen seit Tagen für Furore: Die russische Polizei habe sogar Ex-Freischärler aus Tschetschenien in ihren Diensten, war am Dienstag das vorläufig letzte Argument, mit dem Alexej Dymowski, ein 32-jähriger Polizeimajor aus Noworossijsk am Schwarzen Meer, seine unmittelbaren Vorgesetzten und das Innenministerium in Moskau in Erklärungsnot bringt. Schon am Freitag hatte er – in der jüngeren Geschichte Russlands eine Insubordination ohnegleichen – seinen Chefs Korruption und schweren Amtsmissbrauch vorgehalten. Danach sollen er und seine Kollegen regelmäßig gezwungen worden sein, in Strafverfahren zu frei erfundenen Delikten zu ermitteln. Unschuldige seien daraufhin verurteilt worden. Weigerungen würden mit Beförderungsstopp und Übergehung bei Auszeichnungen und Prämien geahndet.

Er selbst, so berichtet Dymowski sichtlich verlegen in einem amateurhaften Video, das seit Freitag beim Internetportal Youtube steht und mittlerweile tausende Male abgerufen wurde, verdanke seine Beförderung zum Major eben diesen Methoden. Konkrete Fälle habe er seit Frühjahr bei Gesprächen mit Kollegen auf seinem Diktiergerät festgehalten. Die Aufzeichnungen von insgesamt 150 Stunden – Dymowski selbst sprach von Belastungsmaterial – wolle er Premier Wladimir Putin bei einem persönlichen Treffen übergeben.

Der schwieg bisher eisern, dafür machten sich Medien im In- und inzwischen auch im Ausland genüsslich über den Fall her und lobten dabei auch das perfekte Timing. Denn am Dienstag zelebrierte Russland mit großen Feierlichkeiten den Tag der Miliz, wie die Polizei heißt. Auch, um seinen Oberen das Fest zu vermasseln, hatte Dymowski eine Pressekonferenz in Moskau für Dienstag anberaumt, wo er noch mal nachlegte.

Dabei hatte die Abteilung Inneres der Region Krasnodar keine Mühe gescheut, die Reise nach Moskau des inzwischen vom Dienst suspendierten „Nestbeschmutzers“ zu verhindern. Mit Sperrung seiner Geldkarte, weshalb er weder Flugzeug noch Bahn nutzen konnte, und mit Straßenposten, die seinen Wagen mehrfach anhielten. Auch soll gegen ihn wegen Verleumdung ermittelt werden. Zuvor schon hatten seine Vorgesetzten gestreut, seine Attacke sei von einer westlichen Organisation gesponsert worden. Die Moskauer Polizeigewerkschaft indes sagte ihm Unterstützung zu. Ebenso Menschenrechtsgruppen und tausende Blogger. Darunter viele Kollegen – aktive wie ehemalige –, die sich über ähnlich haarsträubende Zustände in ihren Regionen auslassen und in nicht druckreifen Beschimpfungen die Entlassung von Innenminister Raschid Nurgalijew fordern. Katastrophal für diesen waren auch die Ergebnisse einer Umfrage, mit denen das Lewada-Zentrum, Russlands letztes unabhängiges Meinungsforschungsinstitut, den Ehrentag der Miliz feierte: Demzufolge haben über 50 Prozent aller Russen vor ihren Beschützern größere Angst als vor Verbrechern. Mehr gefürchtet als Polizisten, so Meinungsforscher Boris Dubin bei Radio Liberty, seien nur Terroristen. Seit Montag geht ein Kommission aus Moskau Dymowskis Vorwürfen vor Ort nach.

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