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© dpa

Russland: Medwedew und Putin gibt’s nur im Doppelpack

Der russische Präsidentschaftskandidat Dmitri Medwedew hat Wladimir Putin als künftigen Premierminister vorgeschlagen. Außerdem will er dem jetzigen Kremlherrscher Machtbefugnisse abtreten. Was würde sich durch diesen Rollentausch ändern?

Die Körperhaltung des Kreml-Herrschers ist gewöhnungsbedürftig. Wladimir Putin beugt sich weit nach vorn, damit ihm kein Wort seines Gesprächspartners entgeht. Dmitri Medwedew lehnt sich entspannt zurück. Auf der Internetseite des Radiosenders „Echo Moskwy“ war das Foto gleich neben der Nachricht zu Medwedews gestriger Fernsehansprache zu sehen. Darin bot der bisherige Vizepremier dem Noch-Präsidenten Putin den Posten des Premierministers an. Allerdings stand das Foto nur kurz auf der Seite. Nach einer kurzen Schreckstarre war den Journalisten des Senders wohl aufgefallen, dass sich an der bisherigen Machtverteilung kaum etwas ändern wird.

Die Botschaft zwischen den Zeilen war eindeutig: „Ich“, sagte Medwedew wörtlich, „halte es für prinzipiell wichtig für unser Land, auf dem wichtigsten Posten in der Exekutive Wladimir Wladimirowitsch Putin zu belassen.“ Nach der gegenwärtig geltenden russischen Verfassung spielt aber der Präsident die wichtigste Rolle in der Exekutive. Der Premier ist nur die Nummer zwei in der Machthierarchie. Schlüsselressorts seines Kabinetts – darunter Außenpolitik, Verteidigung, Sicherheit und Inneres – unterstehen direkt dem Präsidenten.

Sollte das Amt des Premierministers wirklich zum wichtigsten Posten innerhalb der Regierung aufgewertet werden, wären umfassende Verfassungsänderungen notwendig. In der neuen Duma verfügt die Putin-Partei Einiges Russland zwar über die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit. Doch für den Kreml gibt es ein weitaus schwierigeres Problem: Zu oft und zu laut hat Putin in der Vergangenheit getönt, Verfassungsänderungen seien mit ihm nicht zu machen. Ein Abrücken von dieser Position würde Putins Glaubwürdigkeit nun massiv beschädigen. Zwar hat Putin den Rückbau der Demokratie in der Vergangenheit durchaus auch mit fadenscheinigen Argumenten begründet, er konnte sich dabei aber formell immer auf geltendes Recht berufen. Würde Putin nun selbst Hand ans russische Grundgesetz legen, als dessen Garant er gewählt wurde, würde das seine Position schwächen – und zusätzlich auch die des designierten Kreml-Herrschers Medwedew.

Als einer der Ersten hat das Putin selbst erkannt. Dass er sich trotzdem auf einen Rollentausch und damit mögliche Verfassungsänderungen einlässt, hat wohl mit Rivalitäten innerhalb seiner eigenen St. Petersburger Landsmannschaft zu tun. Der Streit zwischen verschiedenen Clans verlangt dem Kreml-Chef immer neue Szenarien für den Machtwechsel im März ab. Die Umstände und die beteiligten Personen wechseln dabei im Stundentakt. Medwedew, der am Dienstag eine Abtretung von Kompetenzen an einen Premier Putin in Aussicht stellte, wurde am Montag noch als Präsident verkauft, der von Putin nicht nur den Titel, sondern auch die reale Macht erben sollte.

Deutsche Beobachter beurteilen die Situation unterschiedlich: Für Eckart von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktionsfraktion, belegen die Ereignisse, wie sehr sich die Demokratie in Russland zurückentwickelt habe. „Wichtige Entscheidungen werden in einem kleinen Führungszirkel getroffen.“ Klaedens Counterpart bei der SPD, Gert Weisskirchen, sieht das weniger kritisch. Man müsse die politische Kultur Russlands berücksichtigen. „Es spricht für Putin, dass er sich für den liberalen Medwedew entschieden hat.“

Zu Medwedews Angebot schweigt Putin bisher eisern. Einige Nachrichtenagenturen zitierten ihn gestern lediglich mit den Worten, er verlasse sich darauf, dass die Bürger Russlands bei den Präsidentenwahlen „ihr Vertrauen dem Mann schenken, für den die weitere Entwicklung Richtung Demokratie und die Erfüllung aller gegenüber den Bürgern eingegangenen Verpflichtungen Priorität hat.“ Ob damit wirklich Medwedew gemeint ist, bleibt abzuwarten. Knapp 60 Prozent der Hörer von „Echo Moskwy“ lehnten ihn in einer Blitzumfrage des Senders als neuen Präsidenten ab.

„Es ist auch noch längst nicht ausgemacht, dass Putin das Amt des Premierministers übernehmen wird“, sagt Hans Henning Schröder, der Leiter der Forschungsgruppe Russland bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Zunächst gehe es darum, Medwedew durchzusetzen. „Deshalb wird Putin im Wahlkampf mit ihm als Duo auftreten.“ Was danach geschehe, sei Teil eines Deals zwischen den verschiedenen Machtgruppen. „Im Wesentlichen geht es darum, die Balance zwischen ehemaligen KGBlern um Putin und den großen Konzernen zu erhalten.“ Wirtschaft und Politik seien eng verzahnt. „Entscheidend ist letztlich, wer Zugriff auf die Ressourcen des Staates hat.“

Tatsächlich könnte Putin gezwungen werden, seine Strategie zu ändern, wenn die ehemaligen Geheimdienstleute um ExVerteidigungsminister Sergej Iwanow wieder Oberhand gewinnen sollten.

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