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Wladimir Putin, Präsident von Russland, bei seiner Rede zur Lage der Nation.

© Alexander Nemenov/AFP

Russland: Putin verkehrt die Realität

Nicht der Westen bedroht Russland – das Gegenteil ist der Fall. Ein Kommentar.

Zum Wesen der Propaganda von Staaten gehört es, die Realitäten zu vernebeln und das eigene Land in einem günstigen Licht darzustellen. Propaganda verkehrt Schuld in Unschuld und lastet Konflikte zwischen Ländern immer der anderen Seite an. In diesem Sinne ist Putins Warnung an die USA vor einer Stationierung von atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa und die Ankündigung, dann selbst direkt gegen die USA gerichtete Raketen zu stationieren, Propaganda in seltener Direktheit. Nach allem, was wir wissen, hat Russland durch den Bau und die Stationierung von Mittelstreckenraketen, etwa in Kaliningrad, den INF-Vertrag gebrochen und damit die amerikanische Kündigung dieses Abrüstungsabkommens ausgelöst. Der russische Präsident macht jetzt aus Schuld Unschuld und aus Angreifern Verteidiger.

Die Aggression geht von Moskau aus

Seit dem Fall der Mauern und dem Zusammenbruch der Blöcke haben sich mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und der früheren Tschechoslowakei alle Staaten Mittel-Ost-Europas aus eigenem Willen vom früheren sowjetischen Herrschaftsbereich gelöst und sich West-Europa, der Europäischen Union und der Nato zugewandt. Kein einziges europäisches Land hat sich hingegen russischem Schutz anvertraut oder sich dessen Wirtschaftssystem angeschlossen. Weder die Nato noch irgendein west- oder mitteleuropäisches Land hat militärische Manöver durchgeführt, deren Ziel eine Expansion Richtung Russland gewesen ist. Alle militärischen Übungen folgten ausschließlich der Annahme einer Verteidigung des eigenen Gebietes gegen einen Aggressor aus dem Osten. Russland hingegen führt im Ostseeraum  immer wieder in der Luft, auf dem Wasser und zu Land Manöver durch, deren erkennbares Ziel eine Eroberung oder Besetzung der baltischen Staaten ist.

Europa hat gute Gründe, sich vor Russland zu fürchten

Kein westeuropäisches Land hat nach 1990 jemals versucht, durch Infiltration oder Subversion Russland selbst oder seine unmittelbaren Nachbarländer Ukraine und Weißrussland zu destabilisieren oder Teile der Bevölkerung gegen die Regierung aufzubringen. Russland hingegen hat den Osten der Ukraine durch camouflierte Truppen besetzt, einen blutigen Krieg begonnen und die Halbinsel Krim annektiert.

Faktum ist also, dass Europa gute Gründe hat, sich vor einem aggressiven Russland zu fürchten und deshalb auf den Schutz der USA und massive eigenen militärische Anstrengungen angewiesen ist.

Gerd Appenzeller

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