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© AFP

RWE: Atomprojekt auf wackligem Boden

Das Investment in ein bulgarisches Kernkraftwerk entzweit den Aufsichtsrat von RWE, es gibt Protest, ein Experte warnt vor nicht tolerierbaren Risiken.

Thomas Fischer, Aufsichtsratschef beim Stromriesen RWE, erhält dieser Tage ungewöhnliche Post. Da protestieren Parlamentarier aus Bulgarien gegen drohende Schäden für Tourismus und Landwirtschaft in ihrer Region. Die Bürgermeister aus zehn rumänischen Gemeinden mahnen, der Konzern beschere ihnen „die größte Bedrohung unserer jüngeren Geschichte“. Und der Bestsellerautor Ilija Trojanow warnt, RWE habe sich mit der „roten Mafia Russlands“ eingelassen und riskiere Milliardenverluste.

Anlass für die Protestwelle ist der Plan von RWE-Chef Jürgen Großmann, 1,5 Milliarden Euro in den Bau eines Atomkraftwerks am Standort Belene in Bulgarien zu investieren. Nachdem die Umweltorganisation „Urgewald“ mit Plakatwänden an der Konzernzentrale in Essen und mehr als 10 000 Postkarten gegen das Vorhaben protestierte, haben nun auch mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats Bedenken gegen das Vorhaben angemeldet. Doch Großmann erklärte, das Projekt sei nicht verhandelbar. Daher, so ließen die Aufseher streuen, könnte die für diesen Donnerstag angesetzte Sitzung des Aufsichtsrats in einen offenen Machtkampf münden. Mit einer Satzungsänderung wolle Fischer erreichen, dass – so wie in vielen Konzernen üblich – große Neuinvestitionen künftig grundsätzlich der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Käme es dazu, würde Großmanns Atomplan womöglich keine Mehrheit finden. Denn neben den Vertretern der SPD-regierten Städte Dortmund und Mülheim, die gemeinsam mit weiteren Kommunen 15 Prozent der Aktien halten, haben sich auch Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite gegen das Projekt ausgesprochen.

Auf Kritik trifft vor allem die Lage der zwei geplanten Reaktoren mit insgesamt 2000 Megawatt Leistung inmitten eines Erdbebengebietes. Während des letzten Bebens in der Region im Jahr 1977 wurden zahlreiche Gebäude zerstört und 120 Menschen starben in den Trümmern. Schon 1983, als die Planung begann, hatten sowjetische Wissenschaftler empfohlen, den Standort wegen der seismischen Gefahren aufzugeben. Selbst der Physiker und Atomkraftbefürworter Georgui Kastijew, der bis 2001 die bulgarische Atomaufsicht leitete, warnte vor einem „nicht tolerierbaren Sicherheitsrisiko“. Die erste demokratisch gewählte Regierung in Sofia hatte das Vorhaben denn auch als „technisch unsicher und ökonomisch untragbar“ verworfen. Erst mit dem Wahlsieg der russlandfreundlichen Postsozialisten im Jahr 2005 kam das Projekt wieder in Fahrt. Dies ging auch auf den Druck des russischen Energiekonzerns Gasprom zurück. Russlands Energiestrategen machten die Verlängerung ihrer Gaslieferverträge mit Bulgarien unter anderem davon abhängig, dass die Kraftwerkstechnik für Belene bei der Gasprom-Tochter Atomstroyexport gekauft wird. Der vorgesehene Reaktortyp „AES 92“ ist bisher jedoch weitgehend unerprobt. Für ein solches Testprojekt mangele es an qualifiziertem Personal und effektiven Kontrollen, mahnt Aufsichtsexperte Kastchiew. Dies werde „zweifellos zu schlecht ausgeführten Bauarbeiten führen“

Neben den technischen drohen auch erhebliche wirtschaftliche Risiken. Auf sieben Milliarden Euro schätzt die Regierung schon heute die Kosten. Fraglich ist deshalb, ob es die von Großmann genannten 1,5 Milliarden Euro für den geplanten Erwerb von 49 Prozent an der Betriebsgesellschaft ausreichen werden. Von der Deutschen Bank bis zur Credit Suisse haben schon zehn internationale Banken die Finanzierung abgelehnt. Zum unkalkulierbaren Kostentreiber könnte nicht zuletzt die weit verbreitete Korruption werden, wegen der die EU-Kommission jüngst die Auszahlung von Subventionen sperrte. Das jedenfalls ist die Sorge des aus Bulgarien stammenden Schriftstellers Trojanow. Die RWE-Planer hätten wohl nicht verstanden, „wie umfassend die oligarchische Kleptokratie Bulgarien beherrscht und wie eng diese mit der roten Mafia Russlands verbandelt“ sei, schrieb Trojanow. Darum werde „man sich weder auf finanzielle Versprechen noch auf die Einhaltung von Sicherheitsstandards verlassen können.“ Letztendlich werde „RWE zu den Verlieren zählen“.

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