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Die Tsipras-Regierung kommt der EU entgegen.

© Francois Lenoir/Reuters

Sanktionen im Ukraine-Konflikt: Griechische Regierung geht auf die EU zu

Beim EU-Außenrat in Brüssel trägt die neue griechische Führung eine Verlängerung der bestehenden Sanktionen mit - und will auch weitere Strafmaßnahmen reden. "Der Gewinner ist die Verhandlung", sagt der neue griechische Außenminister Nikos Kotzais.

Nikos Kotzias ist eindeutig der Hauptdarsteller des Krisentreffens der EU-Außenminister am Donnerstag in Brüssel gewesen. Griechenlands neuer Chefdiplomat, gerade zwei Tage im Amt, war sehnsüchtig erwartet worden, um zu klären, ob es sich bei den Ereignissen der vergangenen 48 Stunden nur um ein Missverständnis oder doch einen Kurswechsel handelte. Widersprach Kotzias’ Premier Alexis Tsipras einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom Dienstag zu neuen Russland-Sanktionen, da er sich übergangen fühlte? Oder ging es doch um inhaltliche Distanzierung?

Diese Frage beantwortete der Politikprofessor Kotzias vor der Sitzung anders als danach. Seine linke Syriza-Regierung arbeite daran „einen Riss zwischen der Europäischen Union und Russland zu verhindern“. Das signalisierte Widerstand gegen eine Verschärfung der Maßnahmen, die im fertig vorbereiteten Entwurf der Abschlusserklärung stehen – zumal Kotzias nicht darüber debattieren, sondern „Verhandlungen führen“ wollte.

"Wir sind keine bösen Jungs"

Am Ende blieb es weitgehend bei der vorab vereinbarten Linie: Die jüngste Eskalation in der Ostukraine wird im Ministerkommuniqué „scharf verurteilt“. Es spricht von „Beweisen für die anhaltende und zunehmende Unterstützung für die Separatisten durch Russland“. Daher sollen zusätzliche Sanktionen gegen Moskau vorbereitet werden. „Wir sind keine bösen Jungs und nicht grundsätzlich gegen Sanktionen“, sagte der Grieche Kotzias nach dem Treffen: „Wir wollten nur nicht, dass sie heute verschärft werden.“ Denn es habe da eben diese nicht eingehaltene Prozedur gegeben: „Und man ist nicht deshalb ein guter Europäer, wenn man alles ohne Widerspruch akzeptiert.“

Den litauischen Außenminister Linus Linkevicius, der in seiner Forderung nach noch härteren Schritten alle Balten, Briten und Polen hinter sich wusste und von einem „Krieg Russlands gegen die Ukraine“ sprach, hatte die Athener Ansage zu Beginn freilich dennoch erschreckt. Die neue Regierung würde doch nicht „als erste Amtshandlung Europa spalten“? Sorgen machten sich Diplomaten zudem, weil es Staaten wie Italien, Österreich oder Luxemburg gelegen zu kommen schien, dass sich die neue griechische Regierung an die Spitze des Skeptikerlagers stellte.„Die neue Haltung der griechischen Regierung macht die Debatte nicht einfacher“, hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) denn auch bei seiner Ankunft in Brüssel zu Protokoll gegeben.

Eine Stunde Überzeugungsarbeit

Sein zwanzigminütiges Vier-Augen-Gespräch vor Sitzungsbeginn mit Kotzias, in dem der Grieche seine Dialogbereitschaft zu erkennen gibt, leitete die Konsenssuche ein. Man sei nun „etwas weniger besorgt als noch vor einigen Stunden“, hieß es danach in der Abordnung des Auswärtigen Amts. Steinmeier erzählte später, es habe „eine Stunde“ gedauert, um dem neuen Amtskollegen den Kompromiss schmackhaft zu machen: Die Außenministererklärung verweise einfach nicht mehr auf die von Tsipras abgelehnte Deklaration der Staats- und Regierungschefs. „Der Gewinner“, so Kotzias hernach ganz europäisch, „ist die Verhandlung.“

Und nun werden eben doch Einreise- und Kontosperren gegen inzwischen 132 Personen sowie 28 Firmen aus Russland und der Ukraine bis September verlängert. Zudem sollen weitere Namen auf die schwarze Liste gesetzt werden – wahrscheinlich bei der nächsten Außenministersitzung am 9. Februar. Der Europäische Auswärtige Dienst erhielt zudem den Auftrag, für den EU-Gipfel drei Tage später Vorschläge bezüglich weitergehender Strafmaßnahmen gegen Russland vorzubereiten. Dazu soll es jedoch – und das ist das Zugeständnis an die Skeptiker – nur kommen, „wenn sich die Lage nicht verbessert oder sogar verschlimmert“, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte. Das Zeitfenster soll für ein Treffen der Kontaktgruppe genutzt werden. Zu diesem Ergebnis habe der griechische Kollege „konstruktiv und der europäischen Einigkeit verpflichtet“ beigetragen.

"Nicht hier, um Russland vor irgendetwas zu bewahren"

Ob es dafür Zugeständnisse bei den an diesem Freitag beginnenden Gesprächen über weitere EU-Griechenlandhilfen brauchte, war an diesem Donnerstag nicht zu erfahren. Dass die Linksregierung in Athen Russland schonen wolle, weil es auf Finanzhilfen aus Moskau statt aus Brüssel setze, glauben die europäischen Diplomaten jedenfalls nicht: Russland sei trotz existierender Avancen auch dem viel kleineren Zypern nicht beigesprungen – und seither habe das Land im Zuge der ausländischen Kapitalflucht wie der EU-Sanktionen einen dreistelligen Milliardenbetrag verloren. „Ich bin nicht hier, um Russland vor irgendetwas zu bewahren“, sagte Nikos Kotzias, „sondern ich handele im griechischen und europäischen Interesse.“

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