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Sarkozy

© AFP

Sarkozy: Französische Revolutionen im Elysée

Der französische Präsident Sarkozy will verändern: Er verlangt eine neue Zivilisation, Respekt vor der Welt – und werbefreies Fernsehen.

Es war die erste Pressekonferenz im Elysée-Palast seit Nicolas Sarkozys Wahl vor acht Monaten. Der Zeitpunkt schien reif für eine erste Bilanz. Der Präsident ist in Umfragen mit einem Stimmungsumschwung konfrontiert, ihm schwindet das Vertrauen der Franzosen. Zugleich verdüstern sich vor dem Hintergrund internationaler Rezessionsängste auch die Konjunkturaussichten.

Mehr als 600 Journalisten aus vierzig Ländern waren für diesen politischen Hochseilakt eingeladen worden – auch um Näheres über Sarkozys Ehepläne mit seiner Freundin Carla Bruni zu erfahren. Vor Abstechern ins Private hielt der Präsident den Medienvertretern zuerst eine lange Grundsatzrede im Stil eines Kandidaten: Was bisher versucht wurde, um Frankreich zu modernisieren, sei zu oberflächlich und „allzu déjà-vu“ gewesen, um den „Reformstau seit dreißig Jahren“ aufzuholen. Sarkozy will nicht weniger als eine „kulturelle Revolution“ beginnen, ausgehend vom Konzept einer „Politik der Zivilisation“. Die Leitidee: Frankreich und Europa müssen für das neue Zeitalter mit aufkommenden Weltmächten wie Indien und China fit gemacht werden.

Er wolle zu einer „neuen Weltzivilisation beitragen“, in der die Menschen anders und besser zusammenlebten. „Um etwas verändern zu können, muss man alles gleichzeitig ändern“, erklärte Sarkozy. Vor allem gehe es darum, „eine Identität, an der man festhalten möchte, mit der Modernität zu vereinbaren, an die man sich anpassen muss“. Die auf etablierten Grundwerten beruhende Politik der Zivilisation werde er in allen Bereichen durchdeklinieren, um „unsere Art zu produzieren, zu arbeiten und zu leben“ grundlegend zu verändern.

Dem zivilisatorischen Wandel muss sich beispielsweise das Erziehungssystem unterziehen, in dem künftig Werte wie „Höflichkeit, Respekt, Bürgersinn und Wissensgier“ auf dem Lehrplan stehen sollten. Erwartungen der Durchschnittsbürger in Bezug auf konkrete Maßnahmen zur Stärkung ihrer Kaufkraft oder Berufschancen leitet der Präsident, dessen finanzieller Spielraum begrenzt ist, direkt an die Arbeitgeber weiter: Als Gegenleistung zu steuerlichen Anreizen sollten sie Lohnempfänger vermehrt an den Unternehmen und ihren Gewinnen beteiligen, statt dies Spitzenmanagern vorzu behalten. Zur Arbeitszeit stellte er klar: „Ich wünsche, dass 2008 das Ende der 35-Stundenwoche kommt.“

Sehr konkret fiel Sarkozys Neujahrsbotschaft an die Medien aus: Das öffentlich- rechtliche Fernsehen soll völlig reorganisiert und künftig ohne Reklame finanziert werden – durch eine Besteuerung der Werbeeeinnahmen der Privatsender sowie von Internet und Mobilfunk. „Ich möchte, dass man über die vollständige Abschaffung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachdenkt“, sagte Sarkozy. Dies wäre eine „Revolution, die der Kulturpolitik völlig neue Möglichkeiten geben würde“. Er betonte, dass die Linke dies seit Jahrzehnten fordere, aber „wir sind es, die es umsetzen“.

Ohne Ausflüchte bekannte er sich zu einer Immigrationspolitik mit Quoten nach Herkunftsländern: „Wen wir nicht integrieren können, nehmen wir nicht auf.“ Außenpolitisch betrachtet Sarkozy sein Projekt einer Mittelmeerunion als „Paradebeispiel“ der Zivilisationspolitik. Sowohl die G-8-Gruppe der führenden Industrienationen und Russlands als auch der UN-Sicherheitsrat sollten um Entwicklungs- und Schwellenländer erweitert werden. „Man kann nicht die Hälfte der Menschheit ignorieren“, betonte er.

Zum privaten Teil: „Carla und ich, wir haben beschlossen, nicht zu lügen.“ Auch mit der „bedauerlichen Tradition“ seiner Vorgänger, außereheliche Beziehungen diskret und scheinheilig zu führen, will Sarkozy brechen. Aber er fügte an, dass das frohe Ereignis der Hochzeit womöglich bereits über die Bühne gegangen sei, wenn die Presse es dann erfahre.

Rudolf Balmer[Paris]

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