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Selbst in Prozesse verwickelt: Parteichef Silvio Berlusconi. Foto: dpa

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Politik: Saubere Kandidaten

Italiens Parteien haben ihre Bewerberlisten fürs Parlament eingereicht. Damit beginnen die fünf heißen Wochen des Wahlkampfs.

Rom - „Wenn ich nicht ins Parlament darf, komme ich in den Knast!“ Nicola Cosentino (54) weiß genau, was ihm bevorsteht. Er soll es sogar durch den ganzen Saal gebrüllt haben, seinem Parteipräsidenten Silvio Berlusconi ins Gesicht. Umsonst. Diesmal jedenfalls. Diesmal blieb der Vorstand des „Volks der Freiheit“ hart: Mit „sauberen Listen“ will die Partei in die Parlamentswahl am 24. Februar gehen; so verlangt es die Stimmungslage der Wähler. Da kann man einen wie Cosentino – erstmals – nicht brauchen.

Schon zweimal hat die Staatsanwaltschaft in Kampanien einen Haftbefehl gegen Berlusconis Freund ausgestellt. Sie verdächtigt den früheren Wirtschafts- Staatssekretär der Zusammenarbeit mit dem Camorra-Clan der Casalesi. Zweimal hat ihm Berlusconis Parlamentsmehrheit die parlamentarische Immunität gerettet. Denn Cosentino ist in Neapel und Umgebung extrem beliebt. Nach langen Diskussionen haben sie ihn in letzter Minute dennoch von der Kandidatenliste gestrichen; nun müssen die Wähler entscheiden, für wie sauber sie die Listen tatsächlich halten. Schließlich ist Berlusconi, der in allen Regionen als Spitzenkandidat für den Senat antritt, aktuell selbst in drei Strafprozesse verwickelt, und für einen weiteren Kandidaten, den früheren Gouverneur der Region Apulien, Raffaele Fitto, hat die Staatsanwaltschaft soeben sechseinhalb Jahre Haft wegen Korruption gefordert.

184 Parteien, Klein- und Mikrogruppen sind zur Wahl zugelassen. Auch wenn viele davon im Bündnis mit einem der großen Parteiblöcke antreten, so zieht in Italien doch wieder die klassische Zersplitterung ein. Zu den stärksten unter den neuen Kräften zählt Mario Montis „Bürgerliche Auswahl“. Der bisherige Regierungschef verspricht frische Gesichter: Keiner seiner Kandidaten, versichert er, habe je im Parlament gesessen. Doch das ist falsch. Für Monti tritt beispielsweise ein Mario Mauro an, bis vor kurzem Fraktionschef der Berlusconi-Partei im Europaparlament, und Pietro Ichino, ein Arbeitsrechtler und sozialdemokratischer Senator. Zudem hat sich Monti mit den Miniparteien der Christdemokraten und des Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini verbündet – dabei sind viele, die seit langem zur unbeliebten politischen „Kaste“ Italiens gehören. „Seit er sich mit diesen Leuten zusammengetan hat“, sagt ein Wahlforscher, „wenden sich viele Bürger enttäuscht von Monti ab.“ In der Tat: Montis Umfragewerte – maximal 15 Prozent – sinken, und bekannte Mitglieder der von ihm zur Erneuerung Italiens umworbenen Intellektuellen- und Bürgerschicht sucht man unter seinen Kandidaten vergeblich.

Während Monti und Berlusconi bisher den Fernsehwahlkampf dominierten, bewegt sich der voraussichtliche Wahlsieger fast geräuschlos durchs Land: Dem Chef der Sozialdemokraten, Pier Luigi Bersani (61), ist es gelungen, die parteiinternen Konflikte mit ruhigem staatsmännischen Auftreten zuzudecken. Zwist um die Kandidatenlisten gab es nach den Vorwahlen Ende Dezember kaum. Wahlforscher sagen den Sozialdemokraten eine sichere absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus voraus. Gewinnt allerdings Berlusconis derzeit aufsteigende Partei die wichtige Region Lombardei, so verliert Bersani den Senat. Und dann nützt ihm die Mehrheit im Abgeordnetenhaus nichts mehr. Erste Gespräche zwischen Bersani und Monti über eine mögliche Koalition nach der Wahl soll es deshalb bereits gegeben haben – auch wenn beide dementieren. Paul Kreiner

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