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Politik: „Schatten auf den Beziehungen“

Türkei ist verärgert über die Armeniendebatte im Bundestag / Nähern sich Ankara und Eriwan an?

Die Türkei will verhindern, dass sich die Regierungen in Deutschland und den USA den Vorwurf des Völkermordes an den Armeniern zu Eigen machen. Außenminister Abdullah Gül kritisierte am Freitag, die Bundestagsdebatte am Donnerstag zur Armenierfrage, bei der die Türkei zur Aufarbeitung ihrer Geschichte aufgerufen wurde, habe einen „Schatten“ auf die Beziehungen geworfen. Derartige Aussagen hätten aber auch schon andere europäische Parlamente getroffen, ohne dass dies Eingang in die Regierungspolitik gefunden habe, sagte der Minister. Ankara wehrt sich auch gegen Bestrebungen, den Vorwurf des Völkermordes zur offiziellen Linie der USA zu machen. Kurz vor dem 90. Jahrestag des Beginns der Massaker an den Armeniern an diesem Sonntag zeigt sich die Türkei gleichzeitig offen für eine Annäherung an das verfeindete Armenien.

Gül sagte, er erwarte keine ernsthaften Auswirkungen der Bundestagsdebatte auf die deutsch-türkischen Beziehungen. „Erfreut“ sei die Türkei trotzdem nicht darüber. Der Minister unterstrich bei einem Treffen mit der Auslandspresse in Istanbul, in parlamentarischen Systemen gebe es manchmal „leider“ Initiativen, die auf innenpolitische Motive zurückgingen. Als Beispiel für unterschiedliche Positionen von Regierungen und Parlamenten in der Armenierfrage wurde in türkischen Regierungskreisen darauf verwiesen, dass polnische Regierungsvertreter ihr Bedauern über die kürzliche Parlamentsentscheidung in Warschau zur Anerkennung eines Völkermords ausgedrückt hätten. Die Bundesregierung in Berlin fühle sich jetzt sicher ähnlich, hieß es. Kanzler Gerhard Schröder, einer der engsten Partner des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, kommt Anfang Mai zu politischen Gesprächen in die Türkei.

Obwohl der Vorwurf des Völkermordes an 1,5 Millionen Armeniern zwischen 1915 und 1916 das Osmanische Reich trifft und nicht die moderne Türkei als dessen Nachfolgerin, betrachtet Ankara die Diskussion als Angriff auf die türkische Nation insgesamt. Gül sagte, es habe sich nicht um Völkermord gehandelt, sondern um eine Zwangsumsiedlung. Trotz des Streits ist die Türkei nach den Worten Güls bereit, in ihren Beziehungen mit Armenien nach vorne zu schauen. Die Türkei habe etwa für die Aufnahme Armeniens in die Organisation für Wirtschaftskooperation im Schwarzmeerraum gesorgt. Nun erwarte Ankara positive Schritte der armenischen Regierung. „Wir sind guten Willens“, sagte Gül. Einen Bericht der „Milliyet“, wonach sich Ankara und Eriwan bereits auf einen Zehn-Punkte-Plan für vertrauensbildende Maßnahmen geeinigt haben, wollte er aber nicht bestätigen.

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