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Schauprozess: Paris bangt um inhaftierte Französin im Iran

EU verurteilt Schauprozess im Iran. Reformgeistlicher prangert Misshandlungen in Gefängnissen an.

Einen Augenblick lang verlor Bernard Kouchner die Beherrschung. „Wir werden uns für sie schlagen“, sagte der französische Außenminister am Wochenende in einem Fernsehinterview zum Fall der Französin Clotilde Reiss. Dabei unterstrich er seine Worte mit drohend erhobener Faust. Inzwischen hat der Chef des Quai d’Orsay zur diplomatischen Contenance zurückgefunden. In späteren Sendungen wurde die Sequenz nicht mehr gezeigt. In einem Gespräch mit der Zeitung „Le Parisien“ zeigte sich Kouchner am Montag dann bemüht, seine Worte abzuwägen.

Er wiederholte die Forderung, die 24-jährige Studentin freizulassen. Über den Prozess, der ihr wegen angeblicher Spionage vor einem Revolutionsgericht gemacht wird, habe er aber nicht zu urteilen, sagte er. Statt von einer „Erpressung“, wie Präsident Nicolas Sarkozy ihren Fall qualifiziert hatte, sprach der Außenminister jetzt nur von „falschen Vorwürfen“. Die junge Frau habe nichts Verdammenswertes begangen. Ihr „Geständnis“ vor Gericht sei ihr „vermutlich nahegelegt worden“.

Unübersehbar ist indes die Ratlosigkeit, die in Paris angesichts der Provokation aus Teheran herrscht. Bernard Hourcade, Gründer des Französischen Instituts für Iran-Forschung (Ifri), das den Aufenthalt der Studentin als Sprachlehrerin an der Universität Isfahan mitfinanzierte, sagte, die unpolitische und daher für die Machthaber eigentlich uninteressante junge Frau sei in den Auseinandersetzungen zwischen den pro- und antiwestlichen Fraktionen des Regimes zwischen die Räder geraten. Die Tochter eines französischen Atomingenieurs hatte in Lille Geschichte und die iranische Landessprache Farsi studiert und mit einer Arbeit über die iranischen Schulbücher seit dem Sturz des Schahs ein Master-Diplom erworben.

Zwischen der EU und Iran bahnt sich wegen des Schauprozesses eine scharfe Konfrontation an. Die iranische Führung müsse begreifen, dass sie mit den Anklagen gegen zwei Mitarbeiter der britischen und französischen Botschaft sowie Clotilde Reiss „die gesamte EU herausfordert“, sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt am Sonntag der Nachrichtenagentur TT. Schweden hat seit dem 1. Juli den EU-Vorsitz inne. Bildt kündigte an, die EU fordere die sofortige Freilassung der Angeklagten, und man werde das in Teheran „deutlich machen“.

Am Samstag waren am zweiten Verhandlungstag des Massenprozesses gegen die Opposition vor dem 15. Revolutionsgerichtshof in Teheran neben zahlreichen Reformpolitikern überraschend auch die 24-jährige Französin, der politische Analytiker der britischen Botschaft, Hossein Rassam, sowie die iranische Angestellte in der Kulturabteilung der französischen Mission, Nazak Afshar, als Angeklagte vorgeführt worden. Die iranische Opposition hatte das Massentribunal schon vor einer Woche als „lächerlichen Schauprozess“ verurteilt.

Am Montag erhob der Reformgeistliche und Präsidentschaftskandidat Mehdi Karubi zudem schwere Vorwürfe gegen die iranische Gefängnisverwaltung. Zahlreiche junge Demonstranten seien in ihren Zellen vergewaltigt und misshandelt worden, schrieb der langjährige Sprecher des Parlaments auf seiner Internetseite und beruft sich dabei auf Informationen von hohen Justizbeamten. Von sexuellen Übergriffen seien sowohl Frauen als auch Männer betroffen. „Junge weibliche Inhaftierte wurden so brutal vergewaltigt, dass sie schwere Verletzungen erlitten“, erklärte Karubi. Er habe die „wirklich beschämenden“ Vorfälle in einem Brief an Hashemi Rafsandschani dokumentiert, schrieb Karubi weiter. Er forderte Rafsandschani auf, dem Obersten Religionsführer Ali Chamenei die Vorfälle darzulegen und klarzustellen, „dass die Geistlichkeit und die Islamische Republik dafür verantwortlich gemacht werden wird“.

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