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Politik: Schily gegen Schily

Der Innenminister rechtfertigt sich im Fall „Cicero“ – und steht sich dabei selbst im Weg

Berlin - Kanzler Gerhard Schröder wird weich bei seinem langsamen Hinausgleiten aus der Bundesregierung, Otto Schily wird offenbar milde. „Mir geht es gut. Sehr gut“, beschied ein überaus freundlicher Innenminister Jounalistenfragen nach seinem Befinden am Donnerstagmorgen. Es war der Tag des „Cicero“-Ausschusses im Bundestag, und Schily, der Höflichkeiten dieser Art selten zugewandt ist, hatte seinen wohl letzten großen Auftritt als Innenminister.

Ein paar Stunden später war er dann doch wieder der alte. „Die Vorwürfe gegen mich haben sich in Luft aufgelöst“, meinte er – und vertrat seine Meinung stur wie stets, „kabarettreif“, wie sich Teilnehmer erinnerten. Schily, der Streiter, hatte es zum Ende seiner Amtszeit geschafft, seine beiden Lieblingsfeinde zugleich gegen sich aufzubringen: die Grünen und die Presse. Die kollektive Empörung nach den Durchsuchungen bei der Zeitschrift „Cicero“ in Potsdam und deren Mitarbeiter Bruno Schirra in Berlin hat er sichtlich genossen. „Hanseln“, so schimpfte der Bundestagsälteste seine Kritiker, die sich bei ihm entschuldigen sollten für ihr „törichtes Gerede“. Von da an ging es weniger um die Sache als um die Person Schily, so dass dessen Argumente kaum noch Gehör fanden: Schily hatte Schily besiegt.

Dabei hat er durchaus Argumente. Der Autor Schirra hatte einen Bericht über den Top-Terroristen Mussab al Sarkawi verfasst, den Statthalter der Al Qaida im Irak, und darin Informationen aus einem Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) verarbeitet. Damit auch jeder merkt, wie gut die Quelle und wie investigativ der Reporter ist, schrieb er auch, welche Geheimhaltungsstufe das an Fußnoten reiche Papier besaß: „VS – nur für den Dienstgebrauch – Nicht gerichtsverwertbar – nur für die Handakte.“

Im BKA fand man das nicht witzig. Die Fahndung in den eigenen Reihen nach dem Informanten brachte nichts ein, also stellte die Behörde Strafanzeige, denn einer ihrer Beamten muss das Gesetz gebrochen haben. Dienstgeheimnisse muss ein Staatsdiener für sich behalten können, sonst wird er mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Hier kommt Otto Schily ins Spiel. Die Tat wird nur verfolgt, wenn er seine Ermächtigung gibt. Die hat Schily gegeben, und natürlich wusste er, dass die „Cicero“-Leute sich der Beihilfe schuldig gemacht haben könnten und sich die Ermittlungen so auch auf sie erstrecken.

Juristisch ist Schily für die Durchsuchungen also nicht verantwortlich. Beantragt hatte sie die Staatsanwaltschaft, genehmigt das Amtsgericht Potsdam. Nach der Ausschusssitzung dämmerte es auch den ärgsten Kritikern, dass die Feinde der Pressefreiheit eher dort zu verorten waren. „Das Handeln der Justiz in diesem Fall ist ein Skandal“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck dem Tagesspiegel. Denn dort zeigte man in der Tat viel Verständnis für das Drängen des BKA, das Wohnhaus Schirras und die Redaktionsräume auf den Kopf zu stellen. Das BKA müsse einen „Vertrauensverlust“ der ausländischen Partnerdienste befürchten, da das Dossier mit deren Informationen gespickt war, hieß es im Durchsuchungsbeschluss.

„Cicero“-Chefredakteur Wolfram Weimer hat Beschwerde gegen den Beschluss erhoben, weil schon kein Anfangsverdacht gegen den ihn und den Mitarbeiter Schirra vorliege. Es gebe keine Belege dafür, dass tatsächlich ein Informant aus den Reihen des BKA das Dossier an Schirra weitergereicht habe. Weimer verwies zudem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der so Spiegel-Affäre, wonach Durchsuchungen bei Presseunternehmen schon allein dann unzulässig seien, wenn sie nur dazu dienten, die Person des Informanten zu ermitteln.

Konsequenzen wird es vorerst nicht geben. Die Grünen wollen die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Journalisten abwarten. „Wenn die nicht eingestellt werden“, so Volker Beck, „muss eine Gesetzesänderung her“.

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