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Politik: Schlange stehen am deutsch-polnischen Grenzübergang - Treffen zwischen Bundespräsident Johannes Rau und Polens Staatschef Kwasniewski

Der Trick mit den großen Parkettpackungen im Kofferraum glückte nur einmal. Da glaubte der Zöllner am Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) noch die Geschichte des 40-jährigen Polen, der vom gegenüberliegenden Slubice nach Deutschland einreisen wollte.

Der Trick mit den großen Parkettpackungen im Kofferraum glückte nur einmal. Da glaubte der Zöllner am Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) noch die Geschichte des 40-jährigen Polen, der vom gegenüberliegenden Slubice nach Deutschland einreisen wollte. Der nämlich gab an, die Pakete in einem Berliner Baumarkt gekauft zu haben. Da er aber sehr beschäftigt sei, hätte er noch keine Zeit zum Ausräumen des Kofferraumes gefunden. Das klang offenbar recht plausibel, denn der Mann konnte ungehindert die Grenze passieren. Als der Pole allerdings drei Tage später wieder mit seinen Holzpaketen nach Frankfurt einreisen wollte, wurden die Zöllner skeptisch. Sie öffneten die Pakete und wurden fündig: Unter den oberen Holzstäben stießen sie auf große Mengen unverzollter Zigaretten, die der Mann nach Deutschland schmuggeln wollte.

Solche Geschichten gehören nach wie vor zum Alltag am wichtigsten Grenzübergang zwischen Polen und Deutschland, wobei sich am Schmuggel aller Art auch viele Deutsche beteiligen.

Davon werden Bundespräsident Johannes Rau und sein Amtskollege Aleksander Kwasniewski bei ihrem heutigen Besuch allerdings wenig spüren. Denn ihr symbolischer Handschlag aus Anlass des Kriegsbeginns vor 60 Jahren findet um 7.50 Uhr statt. Zu so einem frühen Zeitpunkt hält sich der Verkehr auf der Brücke meist in Grenzen. Wieder einmal, so ist in diesen Tagen aus der Region zu hören, werden die Staatsmänner von der oft bedrückenden täglichen Realität an diesem Übergang wenig mitbekommen. Vor allem die langen Kontrollen nerven Fußgänger und Autofahrer, wenngleich diese oft durch ertappte Schmuggler oder Schleuser verursacht werden.

Rund 20 000 Personen wechseln täglich zwischen Frankfurt und Slubice, das bis 1945 die Dammvorstadt war, hin und her. Es dominieren zwar noch immer die deutschen Schnäppchenjäger, die auf den Märkten in Slubice gute Geschäfte machen können. In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist der Strom der Grenzgänger aber stark vermischt worden. Vor allem junge Leute fallen auf: Studenten der Europa-Universität Viadrina. Etwas mehr als 1000 Polen studieren in Frankfurt. In den nächsten Jahren wird der Studentenanteil unter den Grenzgängern zunehmen. Denn das direkt am polnischen Ende der Stadtbrücke gelegene "Collegium Polonicum", das gemeinsam von den Unis in Frankfurt und Poznan betrieben wird, erweitert seine Kapazitäten.

Der beachtlichen Entwicklung der Uni steht die am Jahresanfang veröffentlichte Studie nach einer Befragung von 1600 jungen Leuten im Alter zwischen 18 und 26 Jahren in Frankfurt und Slubice entgegen. Danach hielt die Mehrzahl der Deutschen ihre polnischen Nachbarn für "misstrauisch, aufs Geld bedacht, provinziell und chaotisch". 30 Prozent der Befragten glaubte sogar, dass die meisten Polen Kriminelle seien. Wie sich bei der Auswertung der Fragebögen herausstellte, äußerten sich überwiegend jene Frankfurter abfällig über die Polen, die überhaupt keine persönlichen Kontakte zu den Nachbarn hatten. Wer dagegen einmal Menschen aus Slubice direkt kennen gelernt hatte, sprach im Fragebogen von "netten und hilfsbereiten Polen".

Die Gelegenheiten zum Kontakt sind seit der Grenzöffnung 1990 stark gestiegen. Da treffen sich einmal jährlich die Parlamente zu einer Sitzung, spielen Sportmannschaften in den Ligen der anderen Stadt, bringen 20 Eltern aus Slubice ihre Sprösslinge täglich in einen deutsch-polnischen Kindergarten nach Frankfurt, oder tüfteln gemischte Arbeitsgruppen über die gemeinsame Ausrichtung der Euro-Gartenschau 2003. Selbst das kürzlich eröffnete Spielcasino in Slubice spricht für eine gewisse Normalität, denn mindestens die Hälfte der Gäste kommt aus Frankfurt. Die gleiche Quote trifft auf viele Frisöre, Fotostudios, Kosmetiker und Zahnärzte zu. Andererseits tragen viele Polen ihr Geld in Frankfurter Geschäfte mit hochwertigen Waren. Fernseh-, Computer- oder Schmuckgeschäfte machen im Schnitt ein Viertel ihres Umsatzes mit polnischen Kunden. Ein Einkaufszentrum akzeptiert bereits den Zloty als Währung.

Den Alltag bestimmen solche guten Nachrichten noch nicht. Da dominiert in den Gesprächen in Frankfurts Straßen beim Thema Grenze vor allem die Kriminalität: vom Autodiebstahl bis zum Menschenschmuggel. Zum Abbau der täglichen Grenzstaus hatte man vor Jahren zwei Ideen: Eine Pipeline unter der Oder zu einer exterritorialen polnischen Tankstelle in Frankfurt würde den Autofahrern den Weg zum billigen Benzin in Slubice ersparen, und eine Buslinie zwischen beiden Städten könnte die Abfertigung beschleunigen. Der erste Vorschlag war nicht ganz ernst gemeint, und der zweite scheiterte am Protest der Taxifahrer in Slubice: Sie fürchteten um ihr Geschäft mit den Fahrten der deutschen Einkaufstouristen von der Stadtbrücke zum polnischen Basar.

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