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Politik: Schleichende Koalition von Wille und Wort

Müssen die Deutschen kämpfen, damit ihre Verbündeten volles Vertrauen gewinnen? Wie am Vortag Kanzler Schröder beginnt auch Oppositionsführer Schäuble seine Rede über zehn Jahre Einheit bei "Fazit: Deutschland" in Berlin mit dem Kosovo-Einsatz.

Müssen die Deutschen kämpfen, damit ihre Verbündeten volles Vertrauen gewinnen? Wie am Vortag Kanzler Schröder beginnt auch Oppositionsführer Schäuble seine Rede über zehn Jahre Einheit bei "Fazit: Deutschland" in Berlin mit dem Kosovo-Einsatz. Dort hätten die Deutschen sich "erstmals als vollberechtigtes Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft" gezeigt. 40 Jahre lang habe die Bundesrepublik Sicherheit "importiert", das vereinte Deutschland "exportiere" Sicherheit. "Nicht mehr Einfluss, aber mehr Vertrauen" in der Welt - so hatte Schröder eine ähnliche Kosovo-Bilanz gezogen. Und als Lord George Weidenfeld in seinem Resümee der zweitägigen Konferenz der "Frankfurter Allgemeinen" und des Deutschlandradios Berlin Heinrich Heine variiert - "Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich nicht mehr um meinen Schlaf gebracht" -, begründet das der Wiener Jude, der vor den Nazis nach Großbritannien floh, auch mit dem Kosovo-Einsatz: der habe "das Bild der Deutschen sehr verbessert".

Warum nur denken der SPD-Kanzler beim "Zukunftsfaktor Deutschland" und der CDU-Chef bei seiner "Bilanz der Einheit - wo Deutschland liegt" zuerst an den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr "out of area"? Nur ein Kunstgriff, um - zumindest bis zur Berlin-Wahl - davon abzulenken, dass sich in der Innenpolitik allmählich eine große Koalition von Wille und Wort abzeichnet? Gewiss, der Stilunterschied ist groß: Schröder versucht in freier Rede mit bodenständigen Formulierungen seine Spar- und Europapolitik zu verteidigen. Schäuble liest ein ausformuliertes, intellektuell anspruchsvolles Referat vor - wobei er sich kleine boshafte Spitzen gegen Rot-Grün in Person des anwesenden Innenministers Otto Schily nicht verkneifen kann. Aber Kernaussagen und Schlüsselbegriffe sind immer wieder die gleichen: Gerechtigkeit, Solidarität, Teilhabe. Schäuble benutzt das Wort Freiheit fast inflationär, Schröder bevorzugt Selbstverantwortung. Aber meinen beide nicht in der Tendenz Ähnliches? Der Staat, sagen auch ihre Mitstreiter Otto Schily und Dagmar Schipanski, designierte Wissenschaftsministerin der CDU-Regierung in Thüringen, "soll sich aus vielem zurückziehen". Die Schuld für die die hohe Staatsverschuldung schieben sich Schröder und Schäuble nicht gegenseitig zu, sondern konzedieren eine gemeinsame Verantwortung. Auch das ein Zeichen, dass sie sich im Vermittlungsausschuss demnächst gemeinsam um den Schuldenabbau kümmern wollen?

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