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Eine Schülerin meldet sich im Unterricht.

© dpa/Daniel Karmann

Schulen, Straßen und Umweltschutz: 73 Prozent der Deutschen für Investitionen statt Schuldenbremse

Eine Umfrage der Bertelsmannstiftung dürfte der Debatte um eine Reform der Schuldenbremse neuen Schwung geben. Dies verdeutlicht eine Mehrheit der Deutschen.

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen spricht sich für mehr staatliche Investitionen anstelle eines Abbaus der Staatsverschuldung aus. 73 Prozent der Menschen würden lieber Geld leihen und dieses in Schulen, Straßen und Umweltschutz investieren. Für 27 Prozent sind dagegen möglichst geringe Staatsschulden für die kommenden Generationen die absolute Priorität.

Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Bertelsmannstiftung, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Die Zahlen dürften der Debatte um eine Reform der Schuldenbremse neuen Schwung geben.

Die Bertelsmann-Stiftung hat dafür im Februar 2024 in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut YouGov und dem Sinus-Institut mehr als 3000 repräsentativ ausgewählte Menschen befragt. Zusätzlich wurden Einzel-Befragungen durchgeführt.

Es kann nur mehr gearbeitet werden, wenn Kitas, Schulen und Pflegesysteme funktionieren.

Autoren Silke Borgstedt und Robert Vehrkamp

Dabei kam weiterhin heraus: Auch in den von Parteien besonders umkämpften Milieus der bürgerlichen Mitte, mit denen sich die Untersuchung besonders beschäftigt, liegt die Zustimmung für mehr Investitionen zulasten der Staatsverschuldung bei mehr als Zwei Dritteln.

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Autoren sehen eine Form von akzeptierter Staatsverschuldung

Die Autoren Silke Borgstedt und Robert Vehrkamp schlussfolgern aus den Zahlen und den Einzelgesprächen eine Form von akzeptierter Staatsverschuldung. „Den Milieus der Mitte ist wichtig, dass Schulden dort ‚gebremst‘ werden, wo Ausgaben als unnötig oder unfair empfunden werden“, schreiben sie.

Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes würden dagegen nicht als Schulden gewertet, sondern aus Sicht der Befragten die Basis für das Erwirtschaften von Wachstum bilden. „Es kann nur mehr gearbeitet werden, wenn Kitas, Schulen und Pflegesysteme funktionieren. Effizientere Mobilität kann nur gelingen, wenn Infrastrukturen entsprechend ausgebaut sind“, heißt es weiter.

Bei Umfragen nach einer Abschaffung der Schuldenbremse sprechen sich normalerweise regelmäßig deutliche Mehrheiten für deren Beibehaltung aus. Auch in einer Umfrage nach einer Lockerung der Schuldenbremse sprach sich im Februar 2024 eine Mehrheit dagegen aus, auch wenn diese weniger deutlich ausfiel als in vorherigen Umfragen.

Professor Robert Vehrkamp ist Gastprofessor für Demokratie und Wahlen an der Leuphana Universität in Lüneburg und Wahlexperte bei der Bertelsmann-Stiftung.

© promo

Die Autoren haben aber laut Politikwissenschaftler Vehrkamp bewusst die Frage nach mehr Schulden zugunsten oder weniger Schulden zulasten von Investitionen gestellt, weil dies eine sehr konkrete und zurzeit diskutierte politische Reformidee sei.

In der Mitte schwindet der Optimismus

Beunruhigend sind die Ergebnisse mit Blick auf die gesellschaftliche Stimmung, insbesondere in der Mitte der Gesellschaft. Dort bricht der Optimismus ein. Seit der letzten Umfrage dieser Art im Jahr 2022 schauen nur noch 56 statt 66 Prozent der Menschen positiv nach vorn. Das ist ein Abfall von zehn Prozentpunkten. Besonders stark scheint der Verlust von Optimismus aber in den Milieus der bürgerlichen Mitte.

In der konservativ-bürgerlichen Mitte schauen nur noch 26 Prozent positiv in die Zukunft, 19 Prozent weniger als 2022. In der adaptiv-pragmatischen Mitte schauen zwar noch 50 Prozent optimisch in die Zukunft. Allerdings brach der Optimismus in dieser Bevölkerungsgruppe ebenfalls um 20 Prozent ein. Beide Milieus machen zusammen immerhin rund ein Viertel der Bevölkerung aus.

26
Prozent der konservativ-bürgerlichen Mitte schauen laut Umfrage positiv in die Zukunft. Das sind 19 Prozent weniger als 2022.

Die insgesamt zehn gesellschaftlichen Milieus werden vom Sinus-Institut nach ökonomischen, kulturellen und soziografischen Daten gebildet und gelten heute als wichtige Grundlage der Meinungs- und Marktforschung.

Vehrkamp und Borgestedt führen die schlechte Stimmung auch auf die innenpolitisch schwierige Lage im Land und die Lebensumstände der Menschen zurück. „Der Innovationsstau, die hängende Digitalisierung, die ausufernde Bürokratie, der Fachkräftemangel – das alles macht den Mitte-Milieus zu schaffen“, schreiben sie.

Die Lebenszufriedenheit sei gleichzeitig noch relativ hoch. „Es geht somit primär um befürchtete, nicht aber konkret erlebte Verluste.“ Auch deshalb, raten die Forscher, müsse der Staat stärker als bisher in die Zukunft des Landes investieren.

Als Folge des Zukunftspessimismus sehen die Forscher die massiv fallende Zustimmung für die drei Regierungsparteien seit der Wahl im Herbst 2021. Der Tagesspiegel hatte darüber im Februar vorab berichtet. In den beiden Mitte-Milieus stürzt die Zustimmung für die Ampel-Parteien ab. Davon profitiert allerdings kaum die Union. Es ist stattdessen die AfD, die die Mitte für sich einnimmt.

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