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Politik: Schüssels sensationeller Sieg

Österreich straft die machtverwöhnten Sozialdemokraten ab. Die Zukunft gehört den Konservativen

Dieser Wahlerfolg tut weh: Um 3,7 Prozentpunkte haben Österreichs Sozialdemokraten am Sonntag zugelegt – aber dann mussten sie feststellen, dass das nichts wert war. Denn die Konkurrenz, die regierende ÖVP, war souverän an der SPÖ vorbei auf den ersten Platz gezogen. Ihr Zugewinn um 15,4 Prozent, so sagte es ein Fernsehkommentator am Abend, sei „schon kein Erdrutsch mehr, sondern eine Kontinentalverschiebung“. Gemessen an den Sozialdemokraten zeigte sich der größte Wahlverlierer, die FPÖ, erleichtert: Ihr Debakel war erwartet worden. Aber fürs eigene Renommee tat es der FPÖ ganz gut zu wissen, dass man immer noch deutlich mehr eingefahren hatte als die Grünen, der Hauptgegner. Österreich, so deuteten die Freiheitlichen das Wahlergebnis, wolle rechtskonservativ regiert werden; das „rot-grüne Chaos“ á la Deutschland, vor dem ÖVP und FPÖ die Bürger in den Wahlkampfwochen gewarnt hatten, sei vermieden.

Herbert Haupt, der geschäftsführende FPÖ-Vorsitzende, der sich gerne als „Erklärer und Übersetzer der Ideen Haiders“ anpreist, hat sich dank des Wählervotums ein Stück weit von Haider emanzipiert. Bei 19,8 Prozent aufwärts, so hatte es Haupt in getreuer Nachahmung eines Haider-Hobbys angekündigt, werde er am Bungee-Seil vom Wiener Fernsehturm springen. Das bleibt ihm erspart. So blickt er erwartungsfroh den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP entgegen. Denn von der Macht will die Verliererpartei nicht lassen: „Ich werde der FPÖ empfehlen, sich in der Regierungsarbeit zu erneuern", sagt Haupt.

Die Sozialdemokraten haben sich selbst gefangen mit der Ankündigung ihres Vorsitzenden Alfred Gusenbauer, bei Platz zwei in die Opposition zu gehen. Auch wenn Gusenbauer selbst, am Wahlabend an seinen schon längst als voreilig bereuten Spruch erinnert, eher ausweichend darauf zurückkam, so hatten ihm doch einige Landesvorsitzenden schon die Entscheidungsarbeit abgenommen: Man möge sich auf eine weitere Oppositionszeit einstellen, verlangten sie. „Gespräche mit Schüssel nicht verweigern", sagt Wiens mächtiger SPÖ-Chef Michael Häupl. Das „Aber“ dahinter konnte man bei dem pragmatischen Realisten gut erahnen.

Immerhin hat das „rote“ Wien die Mutterpartei nicht enttäuscht. Die SPÖ-Zugewinne lagen hier überdurchschnittlich bei 6,7 Punkten. Die schwarze ÖVP gewann in Wien „nur“ 13 Punkte dazu, hat dort aber, mit 30 Prozent der Stimmen, ihr traditionelles Diaspora-Dasein beendet. Gegenüber der letzten regulären Wahl 1999 hat die ÖVP 700 000 Stimmen hinzugewonnen. Das stellt sämtliche Rekorde des in Österreich eigentlich für Siege zuständigen Jörg Haider gewaltig in den Schatten – und wird Haider, wegen dessen Rivalität zu Wolfgang Schüssel, noch mehr ärgern. Dies wohl umso mehr, als die allermeisten dieser Stimmen aus dem Lager der FPÖ kamen. Haiders höchster Gewinn lag 1990 bei lediglich 300 000 Stimmen. Damals hatte die ÖVP 500 000 Stimmen verloren. Nun liegt sie wieder auf einem Niveau, das sie seit 1986 nicht mehr hatte einnehmen können – und ist erstmals seit 1966 wieder stärkste Kraft in Österreich.

Die ÖVP ist auch eingebrochen in Schichten, die sie bisher kaum erreicht hat: 31 Prozent der Arbeiter haben sich für die Partei der Selbständigen, Reichen und Bauern entschieden – das sind genau die Wählerschichten, die 1999 die FPÖ erstmals zur „Arbeiterpartei“ gemacht haben, jetzt von der selbsternannten „Partei des kleinen Mannes“ enttäuscht sind und die nicht zur SPÖ zurückwollten. Auch bei den Angestellten hat die ÖVP zum erstenmal seit mehr als 30 Jahren die SPÖ überrundet. Bei den Jungen, den 18- bis 29-Jährigen, steht die ÖVP mit Abstand an der Spitze, erstmals seit Jahrzehnten hat sie auch mehr Frauen angezogen als Männer. Die SPÖ, so das Zeichen, das Wahlforscher darin erkennen wollen, gilt in Österreich als nicht zukunftsfähig genug.

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