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Wechsel. Koch (l.) und Bouffier. Foto: dpa

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Politik: Schwierige Thronfolge

Hessens CDU will Bouffier zum Vorsitzenden wählen – doch der Schein des reibungslosen Übergangs trügt

Stehende Ovationen sind ihm sicher – und wohl auch ein Ergebnis jenseits der 95-Prozent-Marke: An diesem Samstag wird die hessische CDU Innenminister Volker Bouffier zur neuen Nummer eins der Landespartei wählen. Der Landesvorstand und viele Delegierte waren am Freitag angereist, um sich bei einem „Hüttenabend“ auf den reibungslosen Übergang einzustimmen. Ministerpräsident Roland Koch, gerade mal 52 Jahre alt, soll Ehrenvorsitzender werden. Auch ihm werden sie im „Sauerland Stern“ in Willingen, dem Mekka für Skilangläufer, Biker und trinkfreudige Kegelvereine, zujubeln. Die Kulisse steht, doch hinter vorgehaltener Hand hört man sorgenvolle Kommentare. Mit unfreiwilliger Komik brachte es ein Nachwuchspolitiker der Jungen Union auf den Punkt: „Es ist halt schwierig, jemand Älteres als jüngeren Nachfolger zu präsentieren“, sagte er dem Deutschlandradio und verglich den 58-jährigen Bouffier mit Gordon Brown. Der englische Premier folgte auf den zwei Jahre jüngeren Tony Blair. Am Ende stand eine krachende Wahlniederlage der Labour-Partei.

Bouffier, der sich in dieser Woche vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wegen einer umstrittenen Personalentscheidung rechtfertigen musste, gilt als krisenfest. Als Innenminister erwarb er sich mit kernigen Auftritten den Ruf, ein „Law and Order“-Mann zu sein. Nach Kochs Demission gab es nicht wirklich eine Alternative zu dem sechs Jahre älteren Vizeparteichef. Doch auch die hessische CDU ist nicht mehr der geschlossene Kampfverband wie einst in den Zeiten von Alfred Dregger und Manfred Kanther. Sichtbarster Beleg war ein Interview der scheidenden Umweltministerin Silke Lautenschläger. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung empfahl sie einen personellen Neuanfang und forderte indirekt die Ablösung von Landtagsfraktionschef Christean Wagner (67). Außerdem deutete sie an, dass Ministerpräsident Koch zunächst ihr seine Nachfolge angetragen habe, und kritisierte zwischen den Zeilen Bouffiers Politikstil.

Dass der Anschein eines reibungslosen Übergangs trügt, beweist auch eine andere Tatsache. Führende Strategen der Regierungskoalition erwägen ernsthaft, am 31. August, nach dem Rücktritt Kochs, zunächst lediglich Bouffier zum Ministerpräsidenten zu wählen und das Kabinettsrevirement erst Tage später vorzunehmen. Im vergangenen Jahr, bei seiner letzten Wiederwahl zum Ministerpräsidenten, musste auch Koch mit Abweichlern aus den eigenen Reihen leben. Vier Koalitionsabgeordnete verweigerten ihm ihre Stimme, vermutlich weil sie von der Kabinettsbildung enttäuscht waren.

Schwerer wiegt aber die allgemeine Depression wegen der Schwäche der CDU im Bund. Es sei „schlichtweg eine Katastrophe“, was die Koalition seit der Bundestagswahl veranstalte, sagte ein führender CDU-Landespolitiker dem Tagesspiegel. Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn, ein treuer Freund der hessischen CDU auch in schweren Zeiten, drohte bereits, die Wahl des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff zum Bundespräsidenten könne scheitern, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht endlich ihre Führungsaufgabe wahrnehme. „Wenn Wulff durchfällt, sind Angela Merkel und Guido Westerwelle am Ende“, sagen führende Koalitionspolitiker in Wiesbaden. Einzelne deuten an, dass ein Ende mit Schrecken möglicherweise einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen sei.

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