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Hauptgang: Seelachsfilet im Knuspermantel mit buntem Kartoffelsalat. Das Highlight ist der saftige Obststreuselkuchen.

© Pöppl

Cafeteria im Ernährungsministerium: Selbst gebackener Kuchen in der Außenstelle

Ausgerechnet: Das Ernährungsministerium hat keine Kantine, sondern begnügt sich in Berlin mit einer Cafeteria. Teil 10 der Serie.

Zwischen Leipziger Straße und Unter den Linden werden auf engstem Raum 300 Jahre Berliner Geschichte sichtbar. Seit dem 18. Jahrhundert ist in der mittleren Wilhelmstraße die Macht zu Hause, südöstlich des Brandenburger Tors standen damals die Villen der preußischen Unternehmer und Bankiers. In der Gründerzeit baute man riesige Bankhäuser, deren Gebäude heute noch erhalten sind. Im frühen 20. Jahrhundert hatten viele preußische Ministerien ihren Sitz in der alten Friedrichstadt. Die Nationalsozialisten machten die Wilhelmstraße ab 1933 zu ihrem Machtzentrum. Auch die Reichskanzlei, inklusive „Führerbunker“, befand sich in der heutigen Voßstraße Ecke Wilhelmstraße.

Über den Ruinen und den zugeschütteten Bunkeranlagen stehen heute postmoderne DDR-Plattenbauten. Ende der 1980er Jahre hochgezogen, waren sie begehrter Wohnraum an der damaligen Otto-Grotewohl-Straße. Ein Teil der Plattenbauten wurde vor Kurzem unter Mieterprotest abgerissen, zwischen Französischer und Behrenstraße klafft nun eine riesige Baulücke, die ein österreichischer Investor bald mit Luxuswohnungen auffüllt. Gegenüber der Baustelle, an der Ecke zur Französischen Straße, liegt der Berliner Sitz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Im Haus Wilhelmstraße 64 saß bis 1918 das „Geheime Zivilkabinett“ des deutschen Kaisers, ab 1922 diente der Altbau als Amtssitz des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Otto Braun, 1932 hatte hier Konrad Adenauer als Präsident des Preußischen Staatsrats eine Dienstwohnung. Dann übernahmen die Nationalsozialisten das Gebäude, Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess, Joachim von Ribbentrop und Hess-Nachfolger Martin Bormann residierten hier.

Entlang der Französischen Straße liegt der geschwungene Glas- und Natursteinriegel des Ministeriumsanbaus, den das Berliner Architekturbüros Anderhalten entwarf. Dort befindet sich auch die kleine Cafeteria des Hauses, die die 300 Mitarbeiter der Berliner Außenstelle mit Essen versorgt.

Erstaunlicherweise hat ausgerechnet das Ernährungsministerium keine richtige Kantine, wie die Sprecherin des BMEL verrät. Eine große Kantine sei auch nicht unbedingt nötig, erzählt die Pressedame, viele Mitarbeiter würden die Kantinen der benachbarten Verwaltungen nutzen, direkt über den Hof erreicht man das Casino des Arbeits- und Sozialministeriums.

50 bis 60 Plätze hat der helle Raum, die Auswahl an Speisen ist übersichtlich: Die Mittagskarte bietet eine Suppe an, die große Portion für 2,90 Euro, und täglich zwei Tellergerichte, eines mit Fisch oder Fleisch, eines vegetarisch. Direkt an der Ausgabe stehen Behälter mit frischer Rohkost, Salat und Obst. Mehrmals die Woche dufte es nach Kuchen, den eine der Servicemitarbeiterinnen selbst bäckt, sagt die Begleiterin: „Den müssen Sie unbedingt probieren.“ Als Hauptgang stehen „Buntes Gemüsecurry Bombay mit Kokosmilch und Jasminreis“ oder „Seelachsfilet im Knuspermantel mit buntem Kartoffelsalat“ zur Auswahl.

Das Essen selbst ist keine Sensation, aber die Qualität ist in Ordnung: das Gemüse mit leichtem Biss, der panierte Seelachs zart, aber nicht verkocht, der bunte Kartoffelsalat, mit Paprika und anderen Gemüsen aufgepeppt, eine angenehme Abwechslung. Als Highlight erweist sich wie versprochen der Obststreuselkuchen, frisch, saftig und perfekt durchgebacken. Solchermaßen liebevoll versorgt kann selbst ein Ernährungsministerium ohne Kantine auskommen. Michael Pöppl

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