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Abgewiesen: Soldaten schicken Venezolaner zurück, die die Grenze nach Brasilien passieren wollen.

© Ricardo Moraes/Reuters

Showdown: Venezuela rüstet sich für den Tag X

Die ganze Spannung des Machtkampfs in Venezuela könnte sich am Samstag entladen. Was danach kommt, weiß niemand.

Schüsse, Tränengas, Handgemenge: Der Versuch der venezolanischen Opposition einen Transportkonvoy von Caracas nach San Cristobal zu bringen, gleicht einem Spießrutenlauf. Überall entlang der Fahrstrecke in Richtung kolumbianischer Grenze gibt es Zwischenfälle. Die venezolanischen Sicherheitskräfte haben Anweisung den Treck nicht durchzulassen. Sie bauen immer wieder kleine Straßensperren auf, versuchen die Lkw am Weiterfahren zu hindern. Doch die venezolanische Bevölkerung wehrt sich nach Kräften. Es kommt zu Rangeleien, es fallen Schüsse und es fliegen die Tränengasgranaten. „Mörder, Mörder“, rufen einige aufgebrachte Menschen.

Doch das alles ist nur ein Vorgeplänkel für die beiden entscheidenden Tage. Nach dem politisch aufgeladenen Benefizkonzert am Samstag an der Grenzbrücke „Las Tienditas“, organisiert von Virgin-Gründer Richard Branson, rüsten sich alle Seiten zur entscheidenden politischen Schlacht um die Medikamente und Lebensmittel, die in der kolumbianischen Grenzstadt Cucuta auf ihre Abnehmer warten. Gespendet von der amerikanischen Hilfsorganisation USAID, abgelehnt und verspottet von der venezolanischen Regierung um den sozialistischen Machthaber Nicolás Maduro, und herbeigesehnt von den Patienten und dem medizinischen Personal der venezolanischen Krankenhäuser.

Das Militär muss sich entscheiden, auf wessen Seite es steht

Für die venezolanische Opposition um Interimspräsident Juan Guaidó sollen sie der Schlüssel zum Machtwechsel sein. Denn die ganze Aktion ist eine Herausforderung an das venezolanische Militär und die Sicherheitskräfte. Stellen diese sich gegen die Hilfslieferungen und auf die Seite der Regierung, werden ihnen künftig große Teile der venezolanischen Bevölkerung mit Hass und Verachtung begegnen. Lassen sie die Lieferungen aber passieren und solidarisieren sie sich mit der Opposition, droht jedem einzelnen von ihnen die Degradierung und ein Verfahren wegen Hochverrat, sollte Maduro das Wochenende überstehen. Der Druck auf jeden einzeln Uniformierten ist hoch.

Venezuelas Bischöfe stellen sich gegen Maduro

Kurz vor dem Showdown an diesem Samstag richtete die katholische Kirche einen moralischen Appell an die Soldaten und an die Armeespitze. „Erhebt Eure Waffen nicht gegen das eigene Volk“, erklärten die venezolanischen Bischöfe. Und sie kritisierten auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Es sei keineswegs Verrat, um humanitäre Hilfe zu bitten oder Lebensmittel und Medikamente ins Land zu lassen.

Maduro selbst spürt den Druck an allen Fronten. Er gibt sich kämpferisch und ruft seine Anhänger zu einer Großveranstaltung am Wochenende in Caracas auf. Tatsächlich bringen die Sozialisten immer wieder bemerkenswerte Großdemonstrationen auf die Beine, auch wenn sich die Meldungen häufen, dass die Teilnehmer dafür Honorar erhalten.

Und Maduro riegelt das Land ab. „Ab heute bleibt die Grenze zu Brasilien geschlossen“, sagte der Präsident am Donnerstag bei einer Sitzung mit ranghohen Militärs. Zuvor hatte er bereits die Grenze zu den niederländischen Karibikinseln Curaçao, Aruba und Bonaire geschlossen. Auch dort gibt es Lager mit humanitärer Hilfe.

Er erwäge auch, die Grenze zum Nachbarland Kolumbien dichtmachen zu lassen, sagte Maduro am Donnerstag im Staatsfernsehen. Dann allerdings wird sein Land endgültig zu einem Dampfkessel. Denn die Schlupflöcher nach Kolumbien sind für viele zehntausende Venezolaner überlebenswichtig. Sie arbeiten in Kolumbien oder decken sich dort mit Lebensmittel und Medikamenten ein, die sie dann in Venezuela weiterverkaufen. Zudem ist in weiten Teilen des venezolanischen Westens der kolumbianische Peso angesichts der Hyperinflation längst die Parallelwährung.

Maduros Machtapparat könnte am Wochenende zusammenbrechen

Die Opposition hofft darauf, dass der enorme Druck auf die Militärs, die Seiten zu wechseln, am Wochenende den ganzen Machtapparat Maduros zusammenbrechen lässt. Es kommt immer wieder zu vereinzelten Seitenwechseln. Die kolumbianischen und amerikanischen Generäle haben ihre Amtskollegen in einer ungewöhnlichen Aktion dazu aufgerufen, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen. Doch der massive Druck aus dem Ausland hat Maduro bislang eher genutzt als geschadet. Seine Sicht der Dinge lässt sich in dem Motto eines zweitägigen Gegenkonzerts am Wochenende zusammenfassen: „Hände weg von Venezuela“.

Der junge Parlamentspräsident Juan Guaidó ließ sich im Januar als Interimspräsident vereidigen, weil die Opposition die ebenfalls im Januar begonnene zweite hoch umstrittene Amtszeit Maduros nicht mehr anerkennt. Stattdessen will Guaidó Neuwahlen unter internationaler Beobachtung durchführen lassen, um die Krise zu lösen.

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