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Sicherheitsgesetze auf dem Prüfstand: Datenschutzbeauftragte könnte Ermittler stoppen
Die Sicherheitsgesetze der Ampel verschaffen Ermittlern neue Befugnisse, die in Bürgerrechte eingreifen. Die Bundesdatenschutzbeauftragte könnte dagegen vorgehen.
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In der Debatte um die geplanten Sicherheitsgesetze der Bundesregierung nach dem Anschlag von Solingen pocht die Bundesdatenschutzbeauftragte auf die Einhaltung verfassungsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Leitlinien. Insbesondere das Sicherheitsgesetz zur Terrorismusbekämpfung greift mit zusätzlichen Befugnissen für Ermittler bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt in Bürgerrechte und Fragen des Datenschutzes ein.
Die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider ist als Aufsichtsbehörde dafür zuständig, dass Gesetze in ihrem Bereich eingehalten werden. Sie will sich die Pläne zur automatisierten Datenanalyse und dem Abgleich biometrischer Daten mit öffentlich zugänglichen Videos und Bildern aus dem Internet genau ansehen, erklärt sie im Interview mit dem Tagesspiegel.
Deutschland hat bislang den Überwachungswünschen der Sicherheitsbehörden und Innenpolitiker widerstanden. Durch Anschläge wie in Solingen ist die Debatte um mehr Befugnisse für die Ermittler erneut hochgekocht. Kommt mit dem Sicherheitspaket auch hier eine Zeitenwende?
Es ist völlig klar, dass wir darauf achten müssen, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme ist vor allem, wie schwer ein Eingriff wiegt, der mit der Maßnahme erfolgt. Werden zum Beispiel Bilder von völlig unverdächtigen Menschen im Internet durchsucht, gespeichert und in irgendeiner Form abgeglichen, dann wiegt der Eingriff schwerer. Oder sind es Bilder von konkret Tatverdächtigen oder jemandem, der schon überführt wurde, dann wiegt der Eingriff weniger stark. Wir haben die Gesetzesentwürfe jetzt erst ganz frisch vorliegen und müssen uns das ganz genau ansehen.
Die Gesetzesentwürfe gingen bereits am Wochenende an die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP. Ein zentraler Wunsch aus ihrer Antrittsrede lautete, früher eingebunden zu werden. Ist das hier schon schiefgelaufen?
Ich kann das Angebot nur erneuern, uns möglichst frühzeitig einzubeziehen. Dann prüfen wir den Gesetzesentwurf konkret und stecken die verfassungsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Leitlinien ab.
Über die Gesichtserkennung wird seit der Entdeckung der untergetauchten RAF-Terroristin diskutiert. Gefunden wurde sie auch dadurch, dass unzählige Bilder im Internet von Journalisten durchsucht wurden. Auf einem großen Teil dieser Daten sind unbeteiligte Menschen zu sehen. Sollte die Polizei trotzdem solche Möglichkeiten bekommen?
Solche Maßnahmen dürfen – wenn überhaupt – nur mit einer klaren Regelung erfolgen, die die verfassungsrechtlichen Maßstäbe einhält. Die Kollegen aus den Niederlanden haben gerade ein Bußgeld gegen Clearview verhängt. Dass ein privater, kommerzieller Anbieter solche großen Datenbestände speichert, ist nach deren Auffassung nicht datenschutzkonform.
Wer die Datenanalyse vornimmt und wo die Daten gespeichert werden sollen, wird auch bei uns entscheidend für die Bewertung der gesetzlichen Regelung sein. Es kommt darauf an, was nachher im Gesetz steht. Und am 1. Oktober erwarten wir das BKA-Urteil vom Bundesverfassungsgericht, wo es auch um die Anforderungen solcher Datenanalysen gehen wird.
Die müssen wir dann neben den konkreten Gesetzesentwurf legen und schauen, ob sie eingehalten sind. Wenn nicht, können wir sagen, welche Vorgaben vorliegen müssen und natürlich werden wir auf die Einhaltung der Gesetze pochen.
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