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Politik: Sieg ohne Plan

Ein Reformer gewinnt die Parlamentswahlen in Libanon – doch alte Blockaden bedrohen die neue Politik

Das Oppositionsbündnis unter Führung des jungen Saad Hariri ist als Sieger aus den libanesischen Parlamentswahlen hervorgegangen. Der 35-jährige Hariri, Sohn des ermordeten Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri, versprach am Montagmorgen nach Bekanntwerden inoffizieller Ergebnisse, er werde eine Reformpolitik einschlagen. Sein Gegner in der vierten Runde in Nordlibanon, der Christenführer Franjie, der eine Wahlallianz mit Ex-General Michel Aoun eingegangen war, räumte seine Niederlage ein. Allerdings wird das Ergebnis überschattet von gegenseitigen erbitterten Vorwürfen, Stimmen gekauft zu haben.

Im vierten Wahlgang in Nordlibanon, bei den ersten Parlamentswahlen seit mehr als 30 Jahren ohne syrische Truppen im Land, konnte Hariri nach noch inoffiziellen Angaben alle 28 Sitze gewinnen und verfügt damit im Parlament über eine absolute Mehrheit der 128 Sitze. In den ersten drei Runden hatte das Bündnis zwischen Hariri und Drusenführer Walid Dschumblatt 44 Sitze gewonnen. In der christlich dominierten Bergregion hatte Aoun, der erst kürzlich aus dem Exil zurückgekehrt war und seit Jahrzehnten die syrische Einmischung in Libanon bekämpft, vor einer Woche einen klaren Sieg davongetragen. Er ist damit der unbestrittene Führer im christlichen Lager und seine Patriotische Front mit 21 Sitzen ein starker Block im Parlament. Die pro-syrischen Bewegungen Amal und Hisbollah verfügen über 35 Sitze. In den vergangenen Legislaturperioden war das Parlament von Verbündeten Syriens in allen konfessionellen Lagern Libanons dominiert gewesen.

Wenn das Wahlergebnis offiziell bestätigt wird, könnte der Sunnit Hariri Premierminister werden. Der Unternehmer, der erst nach dem Tode seines Vaters im Februar in das komplizierte Geflecht libanesischer Politik eingestiegen ist, hat sich bisher dazu nicht geäußert. Es ist jedoch auch nicht unwahrscheinlich, dass Premier Mikati im Amt bleibt. Hariri selbst gestand ein, dass er bisher „nur ein Symbol“ sei und hart arbeiten müsse, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Sein „Zukunfts“-Block muss erst einmal ein Regierungsprogramm ausarbeiten, nachdem er nicht einmal ein Wahlprogramm vorgestellt hat. Allein Aoun hatte in einer 47-seitigen Broschüre seine Pläne vor der Wahl bekannt gemacht.

Der von Rekordschulden in Höhe von 35,5 Milliarden Dollar gebeutelte Staatshaushalt muss saniert, die Wirtschaft angekurbelt werden. Dazu verfügt Hariri, der bereits mit 26 Jahren das Herzstück des Familienimperiums übernahm und Kontakte zu ausländischen Staatschefs und Wirtschaftsbossen hat, über relativ gute Voraussetzungen. Seine internationalen Kontakte werden Hariri jedoch wenig nützen, wenn es um den Konflikt um die Entwaffnung der Hisbollah-Miliz im Süden des Landes geht. Hariri lehnt eine Entwaffnung derzeit ab. Diese wird jedoch in einer UN-Resolution gefordert, was ihn in Konflikt mit der Weltgemeinschaft bringen könnte.

Auch wird es Hariri kaum gelingen, den von Syrien durch eine Verfassungsänderung eingesetzten pro-syrischen Präsidenten Emile Lahoud abzulösen. Für eine Verfassungsänderung, die die Amtszeit Lahouds verkürzen könnte, wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, über die Hariri nicht verfügt. Auf Unterstützung aus dem christlichen Lager kann er nicht rechnen, weil gerade der Alliierte Dschumblatt im Wahlkampf mit radikalen Forderungen und einer Annäherung an die Hisbollah und Amal die Christen verprellt hat.

Nach Angaben der Hariri-Vertrauten Nasla Moawad, soll in einem Monat ein detailliertes Programm vorliegen. Angekündigt ist eine Reform der Sicherheitsdienste, die in Syrien noch immer über großen Einfluss verfügen, die Unabhängigkeit der Judikative, eine Verwaltungsreform und ein neues Wahlgesetz. Doch von der teilweise konfessionsübergreifenden Einheit, die während der Massendemonstrationen der vergangenen Monate spürbar war, ist wenig geblieben. Aoun kündigte eine Frontalopposition im Parlament an – obwohl der Syrien-Kritiker inhaltlich teilweise die gleichen Forderungen erhebt wie der Hariri-Block. Libanon scheint in das alte Muster konfessioneller Blockbildung und erbitterter persönlicher Feindschaften seiner Politiker zurückgefallen sein.

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