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5,6 der insgesamt 13 Millionen Einwohner Simbabwes sind wahlberechtigt.

© Alex McBride/AFP

Mnangagwa gegen Chamisa: Simbabwe vor ersten freien Wahlen seit 1980

In Simbabwe will sich Übergangspräsident Mnangagwa bei der Wahl am Montag an der Macht halten. Doch mit Chamisa steht ihm ein charismatischer Oppositionsführer gegenüber.

Die Parteimitglieder winken der jubelnden Menge zu. Im nächsten Moment: der alles verändernde Knall. Bühnensplitter fliegen. Menschen schreien, fliehen in alle Richtungen. Simbabwes Führungselite ist eingehüllt in dicken Rauch. Wo die Bombe hochging, stand vor zwei Sekunden noch der Präsident des südafrikanischen Landes. Er überlebt. Seine beiden Vizepräsidenten werden verletzt, der eine muss noch Wochen später im benachbarten Südafrika behandelt werden.

Der Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung der regierenden ZANU-PF Ende Juni wirft etliche Fragen auf. Doch ist sie bei Weitem nicht das einzige ungeklärte Rätsel vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am Montag in Simbabwe. Es sind Schicksalswahlen für das heruntergewirtschaftete Land, in dem die politische Eiszeit der vergangenen Jahrzehnte jegliches Weiterkommen verhinderte.

Lange sah es so aus, als könne nur die Opposition Simbabwe aus der Faust von Diktator Robert Mugabe befreien und die einzig vernünftige Alternativregierung bieten. Aber jetzt ist der beliebte Oppositionsführer Morgan Tsvangirai tot, gestorben im vergangenen Februar in Johannesburg. Unterdessen wurde Mugabe von seinem eigenen Militär entmachtet.

Chamisa ist vor allem bei jungen Wählern sehr beliebt

„Für die Wähler ist das eine gewaltige Veränderung. Das Volk ist verunsichert, wem es sich nun anvertrauen soll“, sagt Steven Gruzd, Politologe am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA). Kann Übergangspräsident Emmerson Mnangagwa (75) die regierende ZANU-PF an der Macht halten oder macht der 40 Jahre alte Oppositionsführer Nelson Chamisa das Rennen? 5,6 der insgesamt 13 Millionen Einwohner Simbabwes sind wahlberechtigt. Die Bekanntgabe des Ergebnisses wird für den 4. August erwartet.

Nach Ansicht von Rejoice Ngwenya, Politologe in Harare, hat der charismatische Oppositionsführer für eine „Welle der Begeisterung gesorgt, vor allem unter Jungwählern“. Zwar habe der Krebstod des beliebten Oppositionschefs Tsvangirai eine Lücke in der „Bewegung für Demokratischen Wandel“ (MDC) hinterlassen. Schwächer sei sie dadurch jedoch nicht geworden. Trotzdem zweifelt Ngwenya, dass Chamisa die Opposition zum Sieg führt. Im Weg stünden dem Jungpolitiker sein „joviales, egozentrisches“ Auftreten, das vor allem ältere Oppositionsvertreter abschrecke.

Mnangagwa greift auf dieselben Mittel zurück wie Mugabe

Der porösen Opposition steht der übermächtige Staatsapparat der ZANU-PF gegenüber, der „Afrikanischen Nationalunion von Simbabwe – Patriotische Front“. Offenbar greift Mnangagwa auf dieselben Machtmittel zurück wie sein Vorgänger Mugabe: Die Beeinflussung der Wahlkommission, Wahlkampfgeld aus der Staatskasse und die Unterstützung des Militärs.

Ungeklärt bleibt auch die Rolle des Militärs. Nach dem Putsch, bei dem vergangenen November die Panzer durch die Straßen von Harare rollten, musste Mnangagwa Zugeständnisse an die Armee machen. Einen Drahtzieher des Coups, General Constantino Chiwenga, machte er zu seinem Vize. Das Militär, früher ein Schoßhund der Regierungspartei, ist heute mächtiger denn je. Politologe Gruzd warnt: „Die Gewalt von 2008 wirft ihren Schatten auf die Wahlen. Das könnte für Angst sorgen und die Wähler beeinflussen.“ Bei dem umstrittenen Urnengang vor zehn Jahren hatten regierungsnahe Paramilitärs mehr als 200 Oppositionsanhänger getötet.

Für Simbabwe steht viel auf dem Spiel

Für das Land, das 1980 von Großbritannien unabhängig wurde, steht viel auf dem Spiel. Die Wahlen fänden „vor dem Hintergrund jahrzehntelanger politisch motivierter Menschenrechtsverbrechen“ statt, beklagt Amnesty International. Mugabe hatte in seinen 37 Amtsjahren nicht nur Kritiker verhaften und wegsperren lassen, sowie weiße Farmer aus dem Land vertrieben. Sein Regime ist auch für die Blutjahre der 1980er verantwortlich. Damals tötete die Armee mehr als 20.000 Angehörige der Ndebele-Minderheit. Mnangagwa soll als Minister für Staatssicherheit eine tragende Rolle bei dem Massenmord gespielt haben – ein schwerwiegender Vorwurf beim Wahlauftakt. Gegner wie Unterstützer nennen Mnangagwa bei seinem Spitznamen, weil er ohne Rücksicht auf Verluste zuschlage, wenn seine Zeit gekommen ist: „Das Krokodil“.

Auch wirtschaftlich steht das Land am Scheideweg. Früher als „Brotkorb der Region“ bekannt, herrscht in Simbabwe heute Armut und Geldmangel. Die Arbeitslosigkeit schwankt zwischen 80 und 90 Prozent. Wer kann, verkauft Gemüse, Altkleider oder Hollywood-Raubkopien am Straßenrand. Es liegt nahe, dass beide Gegner in ihrem Wahlkampf auf Aufschwung setzen. Mnangagwa hat bereits beim Commonwealth-Gipfel und beim Weltwirtschaftsforum (WEF) deutlich gemacht, dass er Simbabwe öffnen und mithilfe internationaler Investoren voranbringen möchte.

Politologe sieht den Übergangspräsidenten knapp vorn

Das versprach auch Chamisa, demzufolge „Inder und Europäer in Scharen kommen werden, um in Simbabwe als Schafhüter zu arbeiten“, sollte er gewinnen.

Politologe Ngwenyas Tipp für den Wahlausgang? „Seine dicke Brieftasche und die staatlichen Ressourcen geben Emmerson Mnangagwa einen knappen Vorsprung, vor allem was die Wahlwerbung und den Stimmenkauf angeht.“ Damit steht Simbabwe im Idealfall der lang erhoffte wirtschaftliche Frühling bevor. Für Menschenrechte und Demokratie ändert sich nicht viel.

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