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Politik: Slowakei: Der genesene Staatspräsident Rudolf Schuster will eine Rückkehr des Populisten Vladimir Meciar an die Macht verhindern

Rudolf Schuster ist zäh. Einen Darmdurchbruch und - noch verhängnisvoller - die skandalöse ärztliche Behandlung in Bratislava hat der 66-jährige Präsident der Slowakei überlebt.

Rudolf Schuster ist zäh. Einen Darmdurchbruch und - noch verhängnisvoller - die skandalöse ärztliche Behandlung in Bratislava hat der 66-jährige Präsident der Slowakei überlebt. Mitte diese Woche ist er, geheilt und guter Dinge, nach Hause zurückgekehrt. Das Land braucht ihn. Es steht vor einem turbulenten Herbst.

Schon vom Krankenbett aus hat Schuster alles getan, um Beruhigung zu verströmen. In sämtlichen Interviews, die er in der Innsbrucker Universitätsklinik geben musste, sobald er des Redens wieder fähig war, betonte er erstens, dass er der Alte geblieben sei, stark, entschieden, tatendurstig. Zweitens: Der Versuch, die slowakische Regierung zu stürzen, werde scheitern; das Land bleibe stabil.

Genau darin aber sind viele Slowaken nicht der Meinung ihres geachteten Präsidenten. Sie hören das Dauerknirschen im Gefüge der Vierparteien-Koalition, und sie sehen die 700 000 Unterschriften, mit denen der frühere Premierminister Vladimir Meciar genau zur Mitte der Legislaturperiode Neuwahlen erzwingen will. Im Fünf-Millionen-Volk der Slowakei hätte die Hälfte der Unterschriften schon gereicht, um die Vorgaben für ein Volksbegehren zu erfüllen. Aber der alte Haudegen, der Autokrat, der sich um Recht und Gesetz wenig gekümmert und die Slowakei in die internationale Isolation geführt hatte, er wollte das Drohpotenzial zeigen, das ihm auch zwei Jahre nach seiner Abwahl noch zu Gebote steht - im Bunde mit den Nationalisten.

Präsident Schuster kann rechtlich nicht umhin, das Volksbegehren für spätestens Anfang Dezember auszuschreiben. Aber er sagt, Meciar werde keinen Erfolg haben: "Ich glaube nicht, dass die erforderliche Hälfte der Wahlberechtigten zur Abstimmung kommt. Und selbst wenn, dann wird er auf den Stimmzetteln in der Minderheit bleiben." Vielleicht, so sagt man in Bratislava, reißt sich die Regierung jetzt am Riemen. Die Gegnerschaft zu Meciar hat schließlich die vier Parteien bei der Parlamentswahl von 1998 zusammengeführt. Sie ist bisher auch das einzige Band geblieben, das Ex-Kommunisten, Linke, Rechte, Christdemokraten, Grüne und ethnische Ungarn in der Koalition zusammenhält. Zwischendurch hatte sich dieses Band gelockert, weil Meciar auch bei der Präsidentenwahl vor einem Jahr gegen Schuster unterlag und seinen Rückzug aus der Politik verkündet hatte. Nun aber will er zurück an die Macht.

Meciar setzt auf Unzufriedene, auf Protestwähler. An Schusters Schicksal beispielsweise kann er aufzeigen, wie schlecht die Regierung von Mikulas Dzurinda das Gesundheitssystem im Griff hat. Wenn sogar für den Staatspräsidenten nicht genügend medizinische Kapazität vorhanden ist - wie muss es dann Normalsterblichen ergehen? Oder wenn die Regierung einen für die Bürger schmerzhaften Sparkurs fährt, die Preise für Strom, Gas, Nahverkehrsmittel freigibt, wenn dennoch nach zwei Jahren kaum Früchte zu sehen sind und die Arbeitslosigkeit steigt - was ist das für eine Politik? So kann Meciar argumentieren. Seine "Bewegung für eine demokratische Slowakei" (HZDS) ist den Umfragen zufolge wieder stärkste Kraft im Lande, während mindestens zwei Parteien der Regierungskoalition nach gegenwärtigem Stand an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würden.

Schuster hat sich als Präsident bemüht, die von Meciar erzeugte innenpolitische Polarisierung zu entschärfen. Dem Populisten Meciar rang er ein Bekenntnis zur Westintegration der Slowakei, zu EU und Nato ab. Meciar gibt sich heute geläutert. Mehrfach hat er "eine Reihe von Fehlern" eingestanden und zugegeben, dass er am Bild, das sich der Westen von ihm und der Slowakei gemacht habe "nicht schuldlos" sei. Um das Image zu verbessern, strebt er angeblich auch nicht mehr nach dem Amt des Regierungschefs. Nach Neuwahlen "müssen wir einen Kompromiss finden", eine "Persönlichkeit, die im Westen Vertrauen genießt". Schuster lehnt aber eine Rückkehr Meciars klar ab: Dies würde eine erneute Isolation der Slowakei nach sich ziehen.

Und so wuchern die Spekulationen über ein Regierungsbündnis ganz neuer Art. Die Beliebtheitsskala slowakischer Politiker führt jetzt unangefochten ein Abgeordneter namens Robert Fico an. Der 36-jährige abgesprungene Linke macht Furore mit seiner Partei "Smer" (Richtung). Er nennt sich selbst Pragmatiker, will sich aber nirgendwo im Parteienspektrum festlegen lassen, sendet populistische (und rassistische) Botschaften aus. Falls Meciars Volksbegehren Erfolg haben sollte, schließt man in Bratislava nicht aus, das Fico Regierungschef wird und mit der HZDS eine Regierung bildet, Meciar selbst aber formal draußen bleibt. Das erinnert an Österreich und Haider.

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