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„So kann es nicht weitergehen“: Bestürzung nach antisemitischer Messerattacke am Holocaust-Mahnmal
Ein junger Syrer wollte mitten in Berlin offenbar gezielt Juden töten. Einen Tag vor der Bundestagswahl erschüttert der Vorfall auch den Wahlkampfendspurt.
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Mit Bestürzung haben Politiker und Vertreter der jüdischen Gemeinde in Deutschland auf die mutmaßlich antisemitische Messerattacke am Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte reagiert. Am Freitagabend hatte offenbar ein 19-jähriger Syrer einem spanischen Touristen von hinten mit einem Jagdmesser einen tiefen Schnitt in den Hals zugefügt.
Die Ermittler gehen von einem antisemitischen Motiv des Mannes aus, der über einen anerkannten Asylstatus verfügte und in einer Leipziger Flüchtlingsunterkunft lebte. Im Rucksack des Tatverdächtigen fanden die Sicherheitsbehörden einen Koran und ein Gebetsbuch. Der Syrer habe Juden töten wollen, sein Motiv sei der Nahostkonflikt gewesen.
„Nach bisherigem Kenntnisstand, insbesondere aufgrund entsprechender Äußerungen des Beschuldigten gegenüber der Polizei, soll seit einigen Wochen der Plan in ihm gereift sein, Juden zu töten“, teilte die Berliner Polizei am Samstagmittag mit.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, reagierte entsetzt: „Der mutmaßlich antisemitisch motivierte Messerangriff am Holocaust-Mahnmal durch einen jungen Syrer ist zutiefst verstörend. Die Tat macht nicht nur erneut die tödliche Gefahr von Judenhass deutlich, sondern zeigt auch, dass jeder Mensch Opfer einer antisemitischen Gewalttat werden kann“, sagte Klein dem Tagesspiegel.
Diese grausame Tat zeigt einmal mehr, dass der mörderische Islamismus zum Alltag in Deutschland geworden ist.
Ilan Kiesling, Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, über die Messerattacke
Er warnte jedoch davor, die Tat politisch zu instrumentalisieren. „Der Täter sollte jetzt rasch vor Gericht gestellt und nach Verbüßung einer Haftstrafe unverzüglich abgeschoben werden. Ich warne aber dringend davor, die Tat für populistische Zwecke zu instrumentalisieren“, sagte Klein.
Ilan Kiesling, Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sagte dem Tagesspiegel: „Diese grausame Tat zeigt einmal mehr, dass der mörderische Islamismus zum Alltag in Deutschland geworden ist. Und er richtet sich schon lange nicht mehr nur gegen jüdische Menschen, sondern kann jeden in unserem Land treffen.“
Auf die antisemitische Propaganda folgt die Tat.
Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn zur Messerattacke
„Wenn sich die ersten Ermittlungserkenntnisse zum antisemitischen Tatmotiv bestätigen, dann zeigt sich wieder einmal in widerwärtiger Weise: auf die antisemitische Propaganda folgt die Tat“, sagte der Berliner Antisemitismusbeauftragte, Samuel Salzborn, dem Tagesspiegel.
In den vergangenen Monaten seien von antisemitischen Israel-Hassern zahlreiche NS-Erinnerungsorte in Berlin beschmiert worden, erinnerte Salzborn. Schon Ende 2023 seien zudem in Charlottenburg Plakate aufgetaucht, auf denen Personen mit Palästinensertüchern, die als Vermummung genutzt wurden, am Holocaust-Mahnmal posierten.
„Der antisemitische Hass auf Israel verschmilzt immer mehr mit der antisemitischen Erinnerungs- und Schuldabwehr – und mündet in letzter Konsequenz in brutale Gewalt“, sagte Salzborn.
Einen Tag vor der Bundestagswahl bewegt die Tat auch die Politik. „Was für eine erschreckende Tat“, sagte Vizekanzler Robert Habeck dem Tagesspiegel. Er wünsche dem Verletzten rasch Genesung, sagte der Grünen-Kanzlerkandidat.
Antisemitismus ist die Schande dieses Landes und gehört mit allen Mitteln bekämpft.
Vizekanzler Robert Habeck verurteilt die Messerattacke.
Habeck verurteilte jeglichen Judenhass in Deutschland: „Antisemitismus ist die Schande dieses Landes und gehört mit allen Mitteln bekämpft. Und zwar jeglicher Antisemitismus. Es darf da keine blinden Flecken geben.“
Innensenatorin dankt Einsatzkräften
Berlins Regierender Bürgermeister, CDU-Politiker Kai Wegner, sprach von einer „hinterhältigen und feigen“ Attacke. „Nur durch die schnelle und professionelle Notfallversorgung der Berliner Feuerwehr konnte verhindert werden, dass ein Mensch sein Leben verliert“, sagte er.
Wer in Deutschland Schutz haben will, greift keine Menschen mit dem Messer an.
Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner, fordert Konsequenzen nach der Messerattacke.
Wegner sagte,er sei davon überzeugt, dass der Täter eine gerechte Strafe erfahre. Der Fall müsse aber weitere Konsequenzen haben: „Wer in Deutschland Schutz haben will, greift keine Menschen mit dem Messer an“, sagte Wegner und kündigte einen engen Austausch mit den sächsischen und den Bundesbehörden an. „Ich erwarte auch von der nächsten Bundesregierung, dass sie dafür sorgt, dass solche Täter ihren Schutzstatus verlieren und schnell unser Land verlassen müssen.“
„Ein versuchtes Tötungsdelikt mit dem Verdacht einer antisemitischen Motivation gerade am Denkmal für die ermordeten Juden Europas – das ist unerträglich“, sagte Berlins Innensenatorin, Iris Spranger, dem Tagesspiegel.

© Annette Riedl/dpa
Die SPD-Politikerin wünschte dem Verletzten eine baldige Genesung und dankte den Rettungs- und Sicherheitsbehörden für ihren Einsatz. „Ein Vorgehen, das mein und unser Vertrauen in die Polizei Berlin mit ihrem Einsatz für die Sicherheit der Menschen in der Hauptstadt wieder einmal bestätigt hat“, sagte Spranger.
Linnemann kündigt Konsequenzen an
Der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, kündigte innenpolitische Konsequenzen an, sollte die Union am Sonntag die Wahl für sich entscheiden. „Wieder ein Messerangriff, wieder wurden Menschen verletzt. So kann und darf es nicht weitergehen“, sagte er dem Tagesspiegel.
Linnemann forderte politisches Handeln: „Betroffenheit und leere Worte helfen nicht, es braucht jetzt rasch einen Politikwechsel in der Migrationspolitik. Und die Union wird ihn zur Koalitionsbedingung machen“, sagte der CDU-Politiker, der als möglicher Minister gehandelt wird.
Der Landesvorsitzende der Berliner FDP, Christoph Meyer, sagte, die Tat zeige, „dass wir unsere bisherige Politik gegenüber Geflüchteten aus Syrien überdenken müssen.“ Wenn der Fluchtgrund weggefallen ist, müssten Rückführungen schneller möglich sein, so Meyer.
Der FDP-Politiker ergänzte zudem: „Es ist eine Schande, dass Antisemitismus immer wieder geduldet oder verharmlost wird – dabei sollte unser klares Ziel sein, ihn mit aller Konsequenz zu bekämpfen.“
Danny Freymark, Berliner CDU-Abgeordneter und Mitglied im Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas, zeigte sich am Sonnabend schockiert: „Es ist eine unfassbare Tat, sie zeigt nicht nur die Spirale der Gewalt, sondern auch der Bösartigkeit. Es ist kein Geheimnis mehr, dass Menschen jüdischen Glaubens sich in Berlin nicht mehr sicher fühlen können“, sagte Freymark dem Tagesspiegel.
Auch ein Ort der Geschichte und des Erinnerns kann ein Tatort werden – das sei eine Katastrophe. „Es gibt den Förderverein für das Denkmal, damit die Erinnerung im Mittelpunkt steht, und nicht, damit neue Tatorte entstehen.“
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