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Burger

© ddp

Ernährung: So schmeckt Amerika

Die Amerikaner scheinen ausgesprochen gerne und lustvoll zu essen. Nur eine unverkrampft-genusssüchtige Haltung zur Nahrungsaufnahme kann so etwas wie die Südstaaten-Küche mit ihrem gehaltvollen Soulfood hervorbringen.

In den Südstaaten wird aufgetischt: Riesensteaks, Triple-Burger, das BBQ und die mit neonfarbenem Zuckerguss glasierten Double-Fudge- Brownies.

Mehr ist jedenfalls mehr, und Fleisch spielt eine zentrale Rolle. Ein Thai-Restaurant wird neben seinen landestypischen Spezialitäten immer auch das klassische Steak auf die Karte setzen. 13 Millionen Tonnen Rind haben die Amerikaner 2007 verzehrt.

Geflügel verhält sich für den Amerikaner zu Rind wie Cola Light zu Cola. Selbst Starbucks verkauft Sandwiches, die mit etwa hundert Scheiben Putenbrust gefüllt sind, als gesunde Alternative. Und Starbucks hat extra Becher erfunden, die von Kuppeln von der Größe einer Reichstagskuppel verschlossen werden – nur, damit eine doppelte Portion Schlagsahne auf den entkoffeinierten Kaffee passt.

Klischee? Zugegeben: Köstliche Salate mit Blauschimmelkäse und Cranberries gibt es, die Supermärkten haben Gemüseregale und vorgeschnittenes Obst. Aber: Was Morgan Spurlock in seinem Selbst-Experimentalklassiker „Supersize Me“ beschrieb, stimmt eben manchmal.

Man verfällt erst willig dem Reiz des Ungesunden, bis man entdeckt, dass es jenseits der urbanen Küstenregionen und Metropolen außer Fast Food nichts anderes gibt. Und wer dem Schilder-Dreigestirn eines US-Highways folgt – Gas, Food, Lodging – bekommt einen guten Überblick darüber, dass man Fast Food nicht als sündige Ausnahme betrachtet, sondern als beinahe tägliches Ritual, als nahe liegenden Stopover auf dem langen Weg aus den Suburbs zum innerstädtischen Arbeitsplatz. Wo sonst auf der Welt findet man eine derart perfekte Drive-In-Infrastruktur?

Für das Frühstück auf vier Rädern hat die Autoindustrie viele nützliche Accessoires erfunden – von der mobilen Kaffeemaschine über die Mini-Eiswürfelmaschine bis zum Toaster für eine einzige Scheibe Brot. Dank Automatikgetriebe und Tempomat hat man mindestens eine Hand frei, um mit dem Küchengerät zu hantieren. So ist im Nichtraucherland Amerika der immer noch serienmäßig mitgelieferte Zigarettenanzünder nicht überflüssig geworden und dient als Steckdose für die mobile Notversorgung.

Das einzige Kettenrestaurant, bei dem man eine Ahnung davon bekommt, woraus das Essen überhaupt bestehen könnte, ist Red Lobster – sogar mitten in der trockenen Sierra Nevada schweben Hummer mit zusammengebundenen Scheren in einem großen Show-Aquarium und man kann selbst entscheiden, welches Meerestier später auf der Pizza landet. Dagegen servieren Taco Bell, Waffle House oder Wendy’s meist Undefinierbares. Nach dem ersten Biss wird klar: Wieder einmal haben sich Designer mehr Gedanken über die Verpackung gemacht als Köche über den Inhalt. Bei Dairy Queen erreicht die Entkopplung Mensch–Tier ihren Höhepunkt: Wo sich alles um Milchprodukte wie Eis und Joghurt dreht, wird die Frage nach etwas Milch für den Kaffee zur Real-Life-Comedy. Traurig wird es erst, wenn man den Körperfettanteil Jugendlicher betrachtet, die das Schulessen stehen lassen und ihren Lunch lieber in einer Fast-Food-Filiale essen – bestehend aus Extra Bacon und einem Liter Dr. Pepper.

Wem Hamburger und fette Pfannkuchen zum Hals raushängen, der wird mit den Tücken der gehobenen Gastronomie konfrontiert. Die Kunst des „Fine Dining“ will trainiert sein. Eine für Europäer seltsame Gepflogenheit ist etwa die extreme Kommunikationsfreude der Servicekräfte. Noch bevor man den Tisch erreicht hat, stellt der Kellner eine Vielzahl von Fragen. Wie ist der Abend bisher verlaufen? Wie hat sich das Wetter im Tagesverlauf verändert? Ist der Gast das erste Mal in der Stadt? Hat er zu bestimmtem Anlass gebucht? Die Fragen bei der Einreise in die USA sind ein Klacks dagegen. Während des Essens wird der Kellner mit kühl kalkuliertem Überschwang exakt drei Mal fragen, ob alles in Ordnung ist. Signalisiert der Gast auch beim dritten Mal Zufriedenheit, zieht der Kellner blitzschnell das Dessert mit der Rechnung hervor. Nur mühsam wird er sich davon abhalten lassen, den Tisch sofort neu einzudecken. Selbst „Fine Dining“ dauert nur unwesentlich länger als Fast Food, wird aber so sehr als Event inszeniert, dass sich nur ein geübter Gast auf das konzentrieren kann, was ihm vorgesetzt wird. Die Unterhaltung findet dann an der Bar statt.

Und was, wenn einem dort spät nachts der Magen knurrt? Kein Problem, es gibt ein leichtes Late-Night-Menu – bestehend aus vier Mini-Hamburgern mit Pommes.

Esther Kogelboom

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