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Politik: Sonntags nie (Leitartikel)

War das nun ein guter Sonntag? Auf den ersten Blick ja.

War das nun ein guter Sonntag? Auf den ersten Blick ja. Das Bündnis für Arbeit, der große Hoffnungsträger der rot-grünen Regierung und ihres Kanzlers, hat etwas geboren - immerhin. Keine Maus, sondern ein Papier, das die Unterschriften der oberen Repräsentanten der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und der Bundesregierung trägt. Das ist doch etwas. Es beweist, so meinten Gerhard Schröder, Dieter Hundt und Dieter Schulte am Sonntagmittag, dass eine wichtige Tugend der Deutschen doch nicht gänzlich perdu sei, die Fähigkeit sich vernünftig zu einigen. Von einer "grundlegenden Weichenstellung" und einem "wirklichen Durchbruch" sprach denn auch der Kanzler und strahlte. Für den Arbeitgeberpräsidenten ist es ein wichtiger Schritt hin zu einer beschäftigungsfördernden Tarifpolitik, und der oberste Gewerkschafter sieht zumindest eine "Basis" für eine wichtige Weichenstellung und hofft, Zwickel sehe das auch so. Beide loben die Initiative Schröders zu diesem Kompromiss. Nach dem letzten Bündnistreffen Anfang Dezember und der Absage der beabsichtigten vorweihnachtlichen Runde am 23. Dezember schienen ja nicht nur eine Einigung über die Rente mit 60 und eine maßvolle Tarifpolitik außer Reichweite, sondern das ganze Projekt Bündnis für Arbeit gefährdet. Und nun hat Gerhard Schröder wirklich ein hübsches Kaninchen aus seinem Zylinder gezaubert?

Zunächst einmal gut ist: Die Rente mit 60, so wie bisher gefordert, ist vom Tisch. Die Regierung erlässt dazu jetzt kein Gesetz. Die Regelung von Modellen, um ältere Arbeitnehmer früher in den Ruhestand gehen zu lassen oder zu schicken, ist dahin zurückgegeben, wo sie hingehört, zu den Tarifpartnern. Walter Riester hat die Tarifautonomie wieder entdeckt, Gottseidank. Erst wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich auf Modelle zur Vorruhestandsregelung geeinigt haben, will der Gesetzgeber die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Die Tarifrunden sollen sich nun an den Produktivitätszuwächsen der Wirtschaft orientieren, und es wird eingeräumt, dass diese von Branche zu Branche (im Grunde von Unternehmen zu Unternehmen) recht unterschiedlich sein können. Klingt das nicht alles gut und richtig? Warum also kein lauter Beifall, sondern wieder das typische Rummäkeln an einem so schönen Schritt nach vorne zu mehr Arbeit? Weil drei Dinge die Freude deutlich trüben.

Die Streitereien und Drohgebärden im Vorfeld dieser Runde haben gezeigt: Die Gewerkschaften sehen eine beschäftigungsfreundliche Tarifpolitik nicht als ihre verdammt normale Verpflichtung an. Sondern sie drohen mit Tarifforderungen und Kampfaktionen, die - so muß man es umgekehrt lesen - beschäftigungsfeindlich wären. Das betrübt. Vernünftig - im Sinne von mehr Beschäftigung - wollen sie sich nur verhalten, wenn ihnen vorher andere wirtschaftlich wenig sinnvolle "Opfer" gebracht werden - wie die Rente mit 60 als Standardmodell. Das offenbart einen Geist, der im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen hat.

Ähnlich steht es mit der nun neu gefeierten Formel, die Lohnzuwächse sollten sich an den Produktivitätszuwächsen orientieren. Das ist wirtschaftswissenschaftliche Lehrbuchweisheit seit Jahrzehnten und wird im Kern auch von den Gewerkschaften anerkannt. Natürlich ist es schön, das nun noch einmal neu bestätigt zu finden - so wie die zehn Gebote in einer Sonntagspredigt. Aber es beunruhigt, dass diese alte Einsicht immer wieder neuer Bekräftigung bedarf.

Die freudig begrüßte Zielsetzung, den Menschen endlich generell ein früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ohne Kürzung ihrer Bezüge zu ermöglichen, ist alarmierend. Eine allgemeine Reform der Renten und der Alterssicherung in Deutschland ist doch deshalb so zwingend und dringend, weil schon bei Rente mit 65 die versprochenen Leistungen künftig nicht mehr finanziert werden können. Und zusätzliche Arbeitsplätze schafft das frühere Abschieben von Älteren in den Ruhestand eben leider auch nicht.

Das Fazit: Es spricht doch vieles dafür, die Sonntage als Ruhetage zu respektieren und sie nicht zu Tagen der Arbeit zu machen.

Heik Afheldt

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