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Sozialdebatte: Vom Wünschen und Müssen

Sozialstaatsdebatte: Die Unions-Arbeitnehmergruppe geht auf Gegenkurs zu Vizekanzler Guido Westerwelle.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Schweigen kann eine sehr effektive Art der Meinungsäußerung sein, und Peter Weiß schweigt jetzt schon fast eine Minute. Ob er von Guido Westerwelles FDP zum Thema Hartz IV dieser Tage schon mal irgendeinen konkreten Vorschlag gehört habe, hat den neuen Vorsitzenden der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion am Freitag einer gefragt. Weiß zuckt schließlich die Schultern. „Ich glaub’, die FDP hat noch etwas Mühe, in der Realität der Regierungsverantwortung anzukommen“, sagt er.

Nun muss man wissen, dass der CDU- Abgeordnete – Nachfolger seines aus dem Parlament ausgeschiedenen Namensvetters Gerald Weiß – qua Amt vermutlich einer von denen ist, die der FDP- Chef Westerwelle seit Tagen als geistige Sozialisten beschimpft. „Vermutlich“ deshalb, weil Westerwelle bei aller Schärfe des Tons im Unscharfen lässt, wen und was er meint. Man kann das am Freitag wieder erleben, als der Außenminister zur Pressekonferenz lädt und bei der günstigen Gelegenheit als FDP-Vorsitzender sowie „im Interesse der Steuerzahler“ kundtut, dass Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit ablehnten, dafür sanktioniert gehörten: In solchen Fällen müsse „ganz praktisch auch eine Kürzung der Leistungen“ folgen können.

Das klingt stürmisch. Nur, das ist längst so. „Das Sozialgesetzbuch ist eindeutig“, sagt der CDU-Mann Weiß. „Wenn jemand Arbeit ablehnt, kann ihm die Hilfe gekürzt werden. Mehr kann ein Gesetzgeber an Klarheit nicht leisten.“ In der Praxis weiß er gleichwohl von beträchtlichen Unterschieden zu berichten: Es gibt Gegenden in Deutschland, in denen dem Fördern kaum ein Fordern gegenübersteht, in anderen gehen die Ämter rigoroser vor. Das hat oft mit dem Angebot respektive Mangel an zumutbarer Arbeit zu tun. Aber auch das jeweilige politische Umfeld spielt eine Rolle. Dass die Strafe für Arbeitsverweigerung „gleichmäßiger“ gehandhabt werden sollte, finden die Arbeitnehmervertreter auch.

Was Weiß und seinen Leuten am Koalitionspartner aber nicht gefällt, ist eine Haltung, die sie als gesellschaftliche Ignoranz werten. Die Folgen der Finanzkrise, sagt der Arbeitnehmersprecher voraus, werden erst in diesem und im nächsten Jahr voll auf den Arbeitsmarkt und die Unternehmen durchschlagen. In einer solchen Krisensituation müsse eine verantwortliche Regierungspartei „alles Wünschenswerte in den Parteiprogrammen zurückstellen“ zugunsten des Notwendigen.

Vor allem aber – Weiß sagt das nicht so, aber die Botschaft ist nicht zu überhören – darf sie nach Auffassung der Christlich-Sozialen nicht kaputt machen, was sie als neuen Zusammenhalt in der Gesellschaft beobachten. Dass Gewerkschaften auf Lohnforderungen verzichten, dass umgekehrt Unternehmen bereit sind, durch Kurzarbeit ihre Mitarbeiter so lange wie irgend möglich zu halten, dies alles habe zu einem sozialen Frieden geführt, wie er in einer solchen Krise „wirklich nicht selbstverständlich“ sei. „Ich kann der FDP nur raten, diesen Weg konsequent mitzugehen“, sagt Weiß.

Er tritt denn auch dafür ein, dass der Staat noch bis Ende 2011 darauf verzichtet, für Kurzarbeiter Sozialabgaben abzurechnen. Eine entsprechende Sonderregelung ab dem 7. Monat Kurzarbeit läuft in diesem Jahr aus. Aber erst für den nächsten Winter sagt die Bundesagentur für Arbeit den Höhepunkt der Krisenarbeitslosigkeit voraus. Es dürfe nicht passieren, dass die Firmen ausgerechnet dann zu Entlassungen übergingen, weil die Sozialbeiträge sie sonst zu teuer kämen.

Dass das viel Geld kosten würde, das die FDP lieber anderweitig verwendet sähe, dürfte Weiß klar sein. Aber Freunde werden die „Herz-Jesu-Sozialisten“ und die Freidemokraten sowieso nie. Mehr Branchenmindestlöhne sind der FDP ein Graus. Und Weiß’ Idee, für Zeitarbeiter notfalls per Gesetz Lohnuntergrenzen und nach zwölf Monaten garantiert „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ einzuführen, dürfte beim Koalitionspartner auch wenig Gegenliebe finden.

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