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Pedro Sánchez mit seiner Frau Begona Gomez in der Nacht zu Montag vor Anhängern der sozialistischen Partei in Madrid.

© Sergio Perez/REUTERS

Update

Spanien vor neuer Blockade: Sozialisten sind Wahlsieger – Rechtsextreme im Parlament

Ministerpräsident Pedro Sánchez gewinnt die Parlamentswahl. Doch Spanien droht eine erneute Blockade: Kein Lager hat eine Mehrheit.

Spanien steht vor einer schwierigen politischen Zukunft: Die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez hat die Parlamentswahl mit großem Vorsprung gewonnen. Jedoch gibt es für die Sozialisten vorerst nur wenig Grund zum Jubel: Nach Auszählung von fast allen Stimmen verpasste die PSOE mit 28,7 Prozent die absolute Mehrheit in dem 350 Sitze umfassenden Abgeordnetenhaus deutlich. Sánchez stehen äußerst komplizierte und vermutlich lange Koalitionsgespräche mit linken und regionalen Parteien bevor – es droht erneut eine komplizierte politische Patt-Situation. Darüber hinaus stellen Rechtsextreme erstmals seit dem Tod des Diktators Franco wieder Abgeordnete.

Sánchez feierte den Sieg vor Hunderten Anhängern in Madrid. „Die Zukunft hat gewonnen, die Vergangenheit hat verloren“, rief der 47 Jahre alte Politiker in der Nacht zum Sonntag auf einer Bühne vor der Parteizentrale unter tosendem Beifall. Die Spanier hätten Europa und der Welt mit dem Wahlergebnis die „klare Botschaft gegeben, dass man die Reaktionären, den Autoritarismus und den Rückschritt bezwingen kann“, sagte Sánchez in Anspielung auf das unerwartet schlechte Abschneiden der Parteien des rechten Spektrums insgesamt. Für die PSOE war es der erste Sieg bei Parlamentswahlen seit elf Jahren.

Die konservative Volkspartei PP folgt den Hochrechnungen zufolge auf Platz zwei mit 16,7 Prozent – und halbiert ihr Ergebnis von der letzten Wahl damit fast. Gefolgt wird sie von den liberalen Ciudadanos (15,8), der Linkspartei Unidas Podemos (14,3 Prozent) und der erst 2013 gegründeten ultrarechten Partei Vox, die mit 10,3 Prozent erstmals ins Madrider Nationalparlament einzieht. Sie wird von vielen Medien auch als rechtsextrem eingestuft.

Mit diesen Zahlen würden die möglichen Koalitionspartner PSOE und Podemos zusammen im günstigsten Fall auf 165 Abgeordnete kommen. Damit würden ihnen zur absoluten Mehrheit elf Sitze fehlen. Sánchez wird sich somit nicht nur mit Unidas Podemos einig werden, sondern auch mit vielen kleineren linken und nationalistischen Regionalparteien in schwierige Gespräche treten müssen. Bei den Parteien des rechten Spektrums (PP, Ciudadanos und Vox) fehlten mindestens 30 Sitze zur Bildung einer regierungsfähigen Koalition.

Zum Zünglein an der Waage werden womöglich nationalistische Parteien aus dem Baskenland oder Katalonien, die dem linken Lager mit ihren Mandaten zu einer Mehrheit verhelfen könnten. Doch der Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Region Katalonien hatte letztlich dazu geführt, dass Sanchez als Chef einer Minderheitsregierung im Februar seinen Haushalt nicht durchbringen konnte und Neuwahlen ansetzen musste.

Ministerpräsident Pedro Sánchez am Sonntag im Gespräch mit Journalisten, nachdem er selbst gewählt hat.
Ministerpräsident Pedro Sánchez am Sonntag im Gespräch mit Journalisten, nachdem er selbst gewählt hat.

© Guo Qiuda/XinHua/dpa

Wie schon 2016 läuft vieles auf eine komplizierte „Blockade“-Situation hinaus. Damals war die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten wegen der Stimmenzersplitterung fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben.

Eine der höchsten Wahlbeteiligungen der Geschichte Spaniens

Am Sonntag wurde eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte der spanischen Demokratie registriert. Nach Angaben des Madrider Innenministeriums gaben rund 75 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Das waren fast neun Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl im Juni 2016. Medien sprachen von einer „historischen Wahlbeteiligung“, die dem Rekord von 1982 (knapp 80 Prozent) - einem Jahr nach dem Putschversuch - sehr nahe kam.

Es war bereits die dritte Parlamentswahl innerhalb von nur dreieinhalb Jahren. Knapp 37 Millionen Bürger waren zu den Wahlurnen aufgerufen. Politiker verschiedener Parteien, darunter Oppositionsführer Pablo Casado (PP), sprachen von der „wichtigsten Wahl, an die man sich erinnern kann“. Die Liste der Probleme ist lang, allen voran: Der Konflikt in Katalonien, drohender politischer Stillstand sowie erste Anzeichen einer Konjunkturabschwächung bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit.

Pablo Casado, Chef der konservativen Volkspartei (PP), im Wahllokal.
Pablo Casado, Chef der konservativen Volkspartei (PP), im Wahllokal.

© Cèzaro De Luca/dpa

Spaniens politische Landschaft ist in den vergangenen Jahren zunehmend zersplittert. Gab es bis 2015 de facto ein Zweiparteiensystem aus PSOE und konservativer Volkspartei (PP), sind seitdem zahlreiche neue Gruppierungen entstanden oder erstarkt. Besonders viel Aufmerksamkeit bekommt derzeit die rechtsradikale Vox: Noch vor einem Jahr existierte sie in Meinungsumfragen praktisch nicht, bei den andalusischen Regionalwahlen im Dezember erreichte sie dann fast elf Prozent der Stimmen. Vor der Wahl lag die Partei, die sich gegen illegale Einwanderung und Feminismus positioniert, bei etwa zehn Prozent der Stimmen.

Vox ist eine Abspaltung von Rajoys Rechtskonservativen

Entstanden ist Vox im Jahr 2013 als Abspaltung der rechtskonservativen Volkspartei. Deren Ministerpräsident Mariano Rajoy war Anfang Juni 2018 durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Sánchez hatte damals das Votum beantragt, nachdem zahlreiche einst führende Vertreter von Rajoys PP wegen Korruption zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Der aktuelle PP-Chef Pablo Casado hatte sich am Freitag erstmals offen für die Bildung einer rechtskonservativen Regierung mit Vox gezeigt.

Vox-Chef Santiago Abascal rief seine Anhänger am Sonntagabend auf, die Einheit Spaniens zu wahren. Vor einer jubelnden Menschenmenge in Madrid kritisierte der 43-Jährige erneut die Unabhängigkeitsbestrebungen der Krisenregion Katalonien. „Jetzt haben wir eine Stimme im Parlament!“, rief er den Menschen zu, die die spanische Flagge schwenkten. „Wir sind hier, um zu bleiben. Das ist erst der Anfang!“, betonte der Politiker.

„Wir haben jetzt 24 Abgeordnete, die den Stolz der Spanier vertreten werden“, sagte Abascal. Die Partei werde sich nicht nur für die Einheit der Nation einsetzen, sondern auch die Grenzen gegen illegale Migration verteidigen. Vox setzt sich unter anderem für spanisches Kulturgut wie den Stierkampf ein. In den Reihen der Partei finden sich auch viele Ex-Militärs, die als Anhänger der Franco-Diktatur gelten. Es ist das erste Mal seit fast vier Jahrzehnten, dass in Madrid eine rechtspopulistische Partei in den Congreso de los Diputados einzieht.

Kritiker warfen Sánchez Zusammenarbeit mit Separatisten vor

Der Konflikt um Katalonien hatte im Wahlkampf eine wichtige Rolle gespielt. Ministerpräsident Sánchez hatte in der Vergangenheit mit den katalanischen Separatisten zusammengearbeitet, was seine Gegner im Wahlkampf gegen ihn verwendeten: PP-Chef Casado bezichtigte ihn des Verrats an Spanien, Vox-Chef Santiago Abascal sprach von einer Wahlentscheidung "zwischen Anti-Spanien und lebendigem Spanien".

Sánchez hielt dagegen und warnte vor einem Rechtsruck: Er sprach angesichts der Umfragewerte von Vox von einem "echten, wirklichen Risiko" und rief die Bevölkerung dazu auf, wählen zu gehen. Ein Ergebnis soll gegen 22 Uhr vorliegen. (AFP, Reuters, dpa)

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