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Politik: SPD: Ab in die Mitte

Der Kampf um die politische Mitte hat begonnen. Denn dort werden die Wahlen entschieden.

Der Kampf um die politische Mitte hat begonnen. Denn dort werden die Wahlen entschieden. Michael Spreng, Wahlkampfmanager von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, hat am Sonntag angekündigt, sein Ziel sei es vor allem, Wechselwähler zur Union zurückzuholen. Die Wahl werde nicht entschieden, indem man aus hundertprozentigen Anhängern 150-prozentige mache, so Spreng. Und SPD-Generalsekretär Franz Müntefering macht in einem 14-seitigen Strategiepapier für den Wahlkampf deutlich, dass die Sozialdemokraten weiterhin den Anspruch haben, "die Politik der Mitte in Deutschland" zu machen. So jedenfalls der Titel des Papiers. Es geht um jene Gruppe zwischen den Stammwählern, die 1998 das Reformprofil der neuen SPD als attraktiv genug empfand, der alten Koalition den Rücken zu kehren. Diese Gruppe will Müntefering seiner Partei erhalten.

In dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, hat er aufgeschrieben, wie er das umsetzen will. Kern der sozialdemokratischen Politik der Mitte soll demnach die Familienpolitik, wichtigstes Reformobjekt das Gesundheitswesen sein. Darüber steht die Devise, dass es mit der SPD kein Zurück zu mehr Staat geben wird, sondern Eigenverantwortung und Eigeninitiative gestärkt werden sollen. "Staat kann nicht alles und er darf nicht alles können", so Müntefering.

Die Unterstützung für Familien will die SPD "verlagern von der Förderung der Ehe auf die Förderung der Erziehung von Kindern"; das Streitthema Ehegattensplitting wird nicht explizit erwähnt. Dieses Vorhaben ist nicht zuletzt eine Folge der Erkenntnis, erhärtet durch die Pisa-Studie, dass die Familie als "Grundlage von Gesellschaft und Demokratie" für die Erziehung und Bildung verantwortlich sei. Erziehung ist laut Müntefering "primär Aufgabe der Familie", den Schulen wird "Mitverantwortung" zugeschrieben. Die Benennung der familiären Aufgaben klingt fast konservativ: hier werden "Werte gesetzt und wird Kultur gelernt, werden Regeln und Grenzen vermittelt".

Die Gesundheitspolitik will die Union, das hat Stoiber schon deutlich gemacht, neben der Arbeitslosigkeit zum zentralen Wahlkampfthema machen. Schon weil Rot-Grün sich an diese Reform in der ablaufenden Legislaturperiode nicht mehr herangetraut hat. "Zentrale Aufgabe" werde die Gesundheitspolitik sein, schreibt Müntefering deshalb. Die SPD will das Gesundheitswesen einer "modernen Wettbewerbsordnung" unterwerfen, um es finanzierbar zu halten. Die Erhöhung der Beitragssätze in der Krankenversicherung sei nicht die Lösung. Die sieht der SPD-General eher in der "individuellen Gesundheitsvorsorge" (ein Begriff, vor dem sich die SPD bislang eher scheute) und dem "sparsamen Umgang der Versicherten mit den Angeboten des Gesundheitswesens".

Reformen kündigt Müntefering auch in der Arbeitsmarktpolitik an. Deren selbstbewusste Orientierungsmarke: Beschäftigung für alle. Hier setzt die SPD weiter auf die Politik der "ruhigen Hand" des Kanzlers: Vor allem durch Wirtschaftswachstum, bewirkt durch die Exportstärke der Industrie und die Auswirkungen der Steuerreform, nicht durch staatliche Direktmaßnahmen, sollen Arbeitsplätze "im ersten Arbeitsmarkt" entstehen. Über Job-Aqtiv-Gesetz und die bundesweite Ausdehnung des Mainzer Kombilohn-Modells hinaus soll das "erhebliche finanzielle Engagement der sozialen Systeme" noch zielgerichteter für "Bewegung am Arbeitsmarkt" genutzt werden. Der Arbeitsmarkt soll transparent und flexibel sein, die Politik soll nicht die Erstarrung finanzieren. Qualifizierung lautet das Motto, hier sieht Müntefering "Besserungsbedarf". Bei der Weiterbildung fordert er die Tarifpartner zu "Pionierarbeit" auf. Auch hier also: Nicht am Staat alleine soll es hängen.

Frei und solidarisch

Im Kapitel "Individualisierung und Zusammenhalt" seines Strategiepapiers schreibt SPD-Generalsekretär Franz Müntefering:

"Wir verstehen Individualität als Bedingung und Ausdruck der Freiheit. Starke Persönlichkeit sein bedeutet die Chance, den eigenen Lebensweg und die eigene Lebensweise selbst zu bestimmen. Unsere Gesellschaftspolitik will die Einzelnen stärken und ihnen Optionen eröffnen. (...) Individualisierung hat auch neue Formen solidarischen Zusammenhalts hervorgebracht, ein Mehr an sozialer Verantwortungsbereitschaft (...). Die Palette ehrenamtlichen Engagements ist größer geworden, die Zahl der Engagierten ist gewachsen.

Der Zusammenhalt ist ein Wert, ohne den keine Gesellschaft menschenwürdig leben kann. Zusammenhalt ist nicht nur Privatsache. Die großen sozialen Sicherungssysteme sind unentbehrlich, sie funktionieren nach dem Prinzip der Solidarität. Das muss auch so bleiben. (...) Aber auch Ehrenamtliche sind hoch engagiert und helfen individuell, oft mit viel Einsatz von Zeit und Geld, wo der Sozialstaat keine Möglichkeiten hat." Tsp

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