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SPD: "Ich sollte entmannt werden“

Wolfgang Clement wirft Franz Müntefering vor, ihn nicht gestützt zu haben, und kritisiert die Führungsschwäche des SPD-Chefs in Sachen Linke.

Für den Weg zur Post war noch keine Zeit. Erst in den kommenden Tagen wird Wolfgang Clement sein SPD-Mitgliedsbuch ein letztes Mal aus dem Aktenschrank holen und es an seinen Ortsverein in Bochum-Weitmar schicken. „Da werde ich mich anständig verabschieden; die haben mich schließlich auch anständig behandelt“, sagt er. In der Tat ist in der öffentlichen Aufregung untergegangen, dass ihn sein Bochumer Ortsverein bis zum Schluss gestützt hat. „Wir haben uns daran nicht beteiligt“, sagt Andreas Marten in Weitmar. Die Kritik entfachte vor allem Rudolf Malzahn, der aus seiner Kleingartensiedlung in Bochum-Hamme das Verfahren gegen Clement organisiert hat und mehr als einmal darauf setzte, dass der widerspenstige Sozialdemokrat von sich aus die Partei verlässt. „Wenn er ein Kerl wäre, würde er freiwillig gehen“, sagte er.

Den Gefallen hat Clement den Genossen in Hamme erst mit Verspätung getan. Noch am Montagnachmittag telefonierte er mehr als einmal mit seinem Anwalt im Schiedsverfahren, dem früheren Kabinettskollegen Otto Schily, und am Ende stimmte er dem Kompromiss zu. „Wir haben ihm eine Brücke gebaut“, sagte Parteichef Franz Müntefering, der allerdings ahnungsvoll hinzufügte, dass er hoffe, Clement werde diese Brücke auch betreten. Der Bonner war nicht nach Berlin gereist. Wenn er es getan hätte, sagte ihm Otto Schily am Abend des gleichen Tages, wäre er vermutlich schon vor der Kompromissfindung ausgestiegen. Dass Clement den Text wirklich gebilligt haben soll, bezweifelten im Übrigen schon am Montag nicht wenige Kenner seines Charakters. „Ich wette, der tritt morgen früh aus“, entfuhr es der nordrhein-westfälischen Parteivorsitzenden Hannelore Kraft, als ihr Generalsekretär Hubertus Heil den Einigungstext vorlas. Da fanden sich eben auch Passagen, in denen Clement angeblich zusagte, seine Worte zu wägen und Missverständnisse zu vermeiden.

Genau das war am Ende zu viel. Nach einer Nacht Schlaf und im Anschluss an das morgendliche Joggen beriet er sich kurz mit der Familie, und als ihm auch seine Tochter sagte: „Du hast einen Maulkorb unterschrieben“, setzte er sich an die Maschine und tippte den folgenschweren Brief an Franz Müntefering. Er formulierte seinen Austritt aus der Partei. Der Parteichef hatte damit übrigens sein Ziel erreicht: Müntefering wollte verhindern, dass die SPD Clement den Stuhl vor die Tür stellt. Es gibt sogar Kenner der Charaktere beider, die im Vorgehen des Parteichefs feines Kalkül erkennen: Müntefering hatte Clement ausdrücklich gebeten, nach Berlin zu kommen, und wusste sehr wohl, dass der stets das Gegenteil von dem gemacht hatte, was er ihm vorgeschlagen hatte. Clement und Müntefering haben sich öffentlich zwar nie beharkt, weil sie sich respektieren, politisch lagen und liegen aber Welten zwischen ihnen. Es gibt Genossen, die nun analysieren, Müntefering habe sein Ziel auf ganzer Linie erreicht, weil Clements Abgang selbst seine politischen Freunde verprellt hat.

Clement selbst bleibt munter. Er räumt gleich mit allen Spekulationen über einen Wechsel in ein anderes Lager auf. „Das habe ich nicht vor.“ Er hofft allerdings immer noch, dass er die Diskussion in der SPD auch von außen beeinflussen kann. Die Annäherung an die Linke und die freie Hand der Landesverbände dabei widerspricht seinem Verständnis von Führung: „Dieser Weg ist falsch, dann braucht man keine Parteiführung mehr.“ Das zielt auch auf Franz Müntefering, der in seinen Augen eine wichtige Rolle gespielt und ihm am Ende nicht geholfen hat: „Ich sollte unter Mitwirkung von Franz Müntefering entmannt werden.“ Dass er das nicht zulassen konnte und wollte, versteht sich von selbst: „Schließlich arbeite ich jetzt als Publizist.“ Müntefering kennt seinen Clement eben sehr gut.

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