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BND-Chef Bruno Kahl im Atrium seines neuen Behördengebäudes.

© Thilo Rückeis

Spionage-Affären: Bundesnachrichtendienst kämpft mit Datenlecks

Im Zuge der Aufarbeitung des NSA-Spitzelskandals registriert der deutsche Geheimdienst 300 Verstöße gegen den Schutz von Dokumenten - wohl auch, weil mehr kontrolliert wird als früher.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hatte infolge der NSA-Affäre zeitweise massive Probleme mit der Geheimhaltung seiner Daten. Nach Tagesspiegel-Informationen haben die Auslandsaufklärer der Bundesregierung in den Jahren 2016 und 2017 bei internen Ermittlungen durchschnittlich drei Verstöße gegen Geheimschutzvorschriften pro Woche feststellen müssen – insgesamt waren es knapp 300. Erst seit Ende vergangenen Jahres deutet sich etwas Entspannung an, aktuell werden nur noch ein bis zwei Datenlecks pro Woche registriert. Dennoch bleibt das Niveau im Vergleich zu den Jahren vor der Affäre hoch.

"Eindeutige Erklärungen gibt es nicht"

Zur Begründung führt der BND ein „Fehlverhalten von Mitarbeitern“ an, ohne dies näher zu erläutern. „Eindeutige Erklärungen für den Anstieg gibt es nicht“, heißt es aus der Pressestelle des Geheimdiensts. Ein möglicher Grund könne allerdings eine „gestiegene Kontrollintensität hinsichtlich der IT-Nutzung“ sein. Der zeitweilige Anstieg hätte demnach mit dem erklärten Bemühen zu tun, entstandene Datenlecks beim BND zu schließen. Ein ähnliches Phänomen wie bei Kriminalität: Wo mehr Polizei unterwegs ist, werden oft auch mehr Straftaten erfasst.

Die Bundesregierung hatte Ende 2014 angekündigt, den Umgang mit schutzbedürftigen Unterlagen bei ihrem Geheimdienst „optimieren“ zu wollen. Anlass war, dass als Verschlusssachen eingestufte BND-Dokumente im Zuge der parlamentarischen Aufklärung des NSA-Geheimdienstskandals ihren Weg in die Presse fanden. Das Kanzleramt drohte sogar an, Strafanzeigen zu erstatten, ließ nach öffentlicher Kritik aber davon ab.

Fast immer ging es um Verrat an die Medien

Trotzdem ging der Geheimnisverrat weiter. Im Schnitt waren es drei Fälle pro Monat, darunter auch solche mit Informationen aus Unterlagen, die mit der höchsten Kategorie „streng geheim“ gekennzeichnet waren. In fast allen Fällen ging es dabei um Medienveröffentlichungen.

Ähnlich hatte es in den Jahren 2013 und 2014 ausgesehen, in denen der NSA-Skandal durch die Enthüllungen des Ex-US-Geheimdienstlers Edward Snowden international an Fahrt aufnahm. Deutsche Zeitungen berichteten damals häufig über BND-Interna, etwa über Geheimdienst-Informationen zur Beteiligung prorussischer Separatisten am Abschuss des Flugs MH 17 über der Ukraine. Der damalige BND-Chef Gerhard Schindler informierte das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags über den Datenabfluss. Auch waren Berichte über die technische Aufrüstung des BND und seine frühen Erkenntnisse über mögliche US-Spionage in der Bundesrepublik erschienen.

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Verfassungsschutz-Präsident Maaßen hatte die Nase voll

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen schien dem Treiben nicht länger zusehen zu wollen. Er erstattete Anfang 2015 Strafanzeige, nachdem im Blog „netzpolitik“ eingestufte Geheimdokumente zur geplanten Internet-Strategie seiner Behörde publiziert wurden und die Blogger einen weiteren Überwachungsskandal ausriefen. Offiziell richtete sich die Anzeige gegen unbekannt, Maaßen ließ aber durchblicken, wen er für verantwortlich hielt. Der damalige Generalbundesanwalt Harald Range erkannte einen Anfangsverdacht auf Landesverrat und leitete Ermittlungen ein. Als das Verfahren bekannt wurde, kritisierten Medien und Politiker es als Anschlag auf die Pressefreiheit, woraufhin der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) die Untersuchung stoppte und den kürzlich verstorbenen Range entließ.

Die Geheimschutz-"Optimierung" hat offenbar Erfolg

Der Verrat an die Presse scheint aktuell nun kaum noch eine Rolle zu spielen: In den beiden vergangenen Jahren wurde nur noch in der Folge von drei Medienberichten intern ermittelt, 2018 gab es bisher keinen derartigen Fall. Auch angesichts der wieder sinkenden Zahl von Verstößen insgesamt scheint die angekündigte Geheimschutz-„Optimierung“ der Regierung Früchte zu tragen.

Geht es nach BND und Regierung, gehört das sensible Thema insgesamt nicht in die Öffentlichkeit. 2015 hatte das Bundesverwaltungsgericht jedoch auf eine Tagesspiegel-Informationsklage hin entschieden, dass Verrat und Datenlecks auch beim BND keine Geheimnisse sein dürfen: „Dass solche Verstöße vorkommen, ist das Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes“, urteilten die Richter damals (Az.: BVerwG 6 VR 2.15).

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