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Politik: Staat ohne Kompetenz

Der Fachkräftemangel ist vor allem in den Bauverwaltungen ein Problem.

TGAs fehlen an allen Ecken und Enden. Die Abkürzung steht für Technische Gebäudeausrüstung, und auf diesem Feld sind die Fachkräftelücken am größten. „Permanent suchen wir TGAs“, sagt Dagmar Ruscheinsky vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und meint insbesondere Ingenieure. Die Bauvolumina des Bundes und der Länder steigen aktuell, doch „der bisher erzielte Personalzuwachs entspricht nicht dem aktuellen Aufgabenzuwachs“, heißt es im schönsten Behördendeutsch. Fachkräfte fehlen in den meisten Branchen und Wirtschaftsbereichen, doch in der Bauwirtschaft tut es besonders weh: „In der letzten Zeit ist in der Bauwirtschaft eine Dynamik zu beobachten, die als Überhitzung bezeichnet werden kann“, schreiben die Marktexperten Bert Bielefeld und Wolfdietrich Kalusche in einer Analyse. Die Nachfrage nach Bauleistungen übersteige die Kapazitäten der ausführenden Unternehmen. Eine Folge: „Der bei Ausschreibungen gewollte Preiswettbewerb fällt aus.“ Und wenn sich überhaupt noch Firmen an Ausschreibungen beteiligen, dann häufig zu Preisen, die weit über den Befürchtungen der Auftraggeber liegen.

Auf den ersten Blick sind die Lücken auf dem Arbeitsmarkt gar nicht so groß. Bei den Arbeitsagenturen sind bundesweit derzeit gut 800 000 offene Stellen registriert, davon nur rund 42 000 aus der Bauwirtschaft. Fakt ist aber auch: Nur rund die Hälfte aller vakanten Stellen wird überhaupt von den Unternehmen gemeldet. Viele Firmen lassen sich beziehungsweise die Arbeitsplätze, die sie zu besetzen haben, gar nicht bei der Arbeitsagentur registrieren, weil sie von vornherein nicht mit einem Vermittlungserfolg rechnen. Auch in Berlin, der deutschen Bauhauptstadt, ist die Aussagekraft der Statistik aus diesem Grunde begrenzt. Aktuell sind hier nur 488 Stellen für Innenausbauberufe gemeldet; im Bereich Hoch- und Tiefbau sind es 311, und in der Rubrik Bauplanung/Architektur/Vermessungsberufe stehen 270 Stellengesuche. Das ist nicht sonderlich viel in einer Großstadt mit Baustellen an jeder Ecke.

„Beim gewerblichen Personal ist der Mangel an Fachkräften vor allem im Tiefbau bzw. Straßenbau zu beklagen“, heißt es beim Bauindustrieverband. Drastischer noch sei der Mangel bei Akademikern, also Bauleitern oder Planern. Das gilt auf der einen Seite für die Firmen, aber mindestens in ähnlichem Umfang für die Bauverwaltung. „Verschärft wird das Problem dadurch, dass Unternehmen und öffentliche Hand um das gleiche qualifizierte Personal werben.“ Ausweich- oder Kompensationsstrategien sind auf dem Bau schwierig, „der Faktor Mensch ist immer noch entscheidend“, heißt es beim Branchenverband.

Die Option, noch mehr Arbeitskolonnen aus dem europäischen Ausland einzukaufen, stößt auch an Grenzen. „Längst konkurrieren deren heimische Arbeitsmärkte mit deutschen Unternehmen um Fachkräfte“, hat der ostdeutsche Bauindustrieverband beobachtet. Vorschlag an die Politik: Weniger Regulierung, weniger Bürokratie bei öffentlichen Aufträgen. Nur durch einen Abbau von Vorschriften könnten die Baufirmen das Personal, „das zu häufig mit der Bearbeitung von bürokratischen Vorschriften befasst ist, für das eigentliche Geschäft, das Bauen, einsetzen“.

Idealerweise hilft das auch der anderen Seite, denn der Fachkräftemangel in den Bauverwaltungen ist nach Einschätzung der Branche „das größte Hemmnis bei der Umsetzung von Bauprojekten“. Das beginnt mit der Planung, setzt sich fort über die Bewertung der Angebote und die Erteilung von Genehmigungen bis hin zur Bauüberwachung. Der jahrelange Sparzwang in den öffentlichen Verwaltungen habe dazu geführt, „dass der Staat seine Bauherrenkompetenz immer weniger ausüben kann“.

Und was sagt der Staat dazu? Zumindest der Bund möchte als öffentlicher Bauherr „Vorbild in grundlegenden baulichen Belangen wie Baukultur, Nachhaltigkeit und technischer Innovation sein“, wie das Bauministerium reklamiert. Dazu bedarf es vor allem des Personals, das die Dienstherren mit den speziellen Vorzügen des öffentlichen Dienstes locken will. „Attraktive Baumaßnahmen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa durch flexible Arbeitsplatzgestaltung sind Komponenten, die von Bewerbern heute verstärkt nachgefragt werden“, heißt es im Bundesamt für Bauwesen. Alfons Frese

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