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Wer ist das Volk? Seine gewählten Vertreter? Oder die reaktionäre Pegida-Bewegung, für die dieser T-Shirt-Träger steht?

© picture alliance / dpa

Staatliche Neutralität: Ein öffentliches Amt ist nicht für politische Meinungsmache da

Pegida mal das Licht ausknipsen? Ein höchstrichterliches Urteil gibt Politikern mehr Freiraum, als ihnen zustehen kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Jenseits eines kurzen Weihnachtsfriedens steht so viel fest: Der politische Streit wird härter. Noch härter. Selbst wenn es zu einer neuen Groko kommt, wird sie kein Konsensmodell mehr sein. Wer Wählerstimmen gewinnen will, wird fundamentaler, grenzt sich ab. Die AfD hat es vorgemacht, die FDP macht es nach, die SPD hat’s versucht. Doch es gibt Grenzen, zumindest für diejenigen Politiker, die wie Kanzler, Minister oder Bürgermeister zugleich Amtsträger sind. Für sie gilt das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot. In amtlicher Funktion müssen sie sich zurückhalten im politischen Meinungskampf. Parteien sollen im Wettbewerb eine faire Chance haben.

Ein dunkles Rathaus sollte ein Zeichen setzen

Viele Politiker empfinden das als Fessel. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht sie gelockert. Das folgt aus den Urteilsgründen, die das Gericht für seine Entscheidung zur Düsseldorfer „Licht aus“-Aktion vorgelegt hat (Az.: 10 C 6.16). Bürgermeister Thomas Geisel (SPD) hatte das Rathaus und andere öffentliche Gebäude verdunkeln lassen, aus Protest gegen eine islamfeindliche Demo. Und er rief zur Gegendemo auf. Rechtswidrig, urteilten die zuständigen Gerichte. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile bestätigt, aber zugleich Wege aufgezeigt, wie Politiker ihr Amt eben doch für politische Kämpfe benutzen können.

Das Neutralitätsgebot schützt nur Parteien, sagen die Richter

Der Trick: Das Neutralitätsgebot gelte nicht allgemein, sondern schütze nur Parteien. Politische Gruppierungen wie etwa Pegida oder eben hier „Dügida“ dürfen von Amtsträgern angegangen werden. Hier gelte nur das Sachlichkeitsgebot. Es dürfe dann nicht nur Konfrontation, es müsse auch Argumente geben. Daran gemessen, kann die nächste „Licht aus“-Aktion stattfinden: Bürgermeister Geisel müsste nur in einem Statement begründen, weshalb er die Lampen ausknipst. Das hatte er hier unterlassen. Allein ein Symbol ist noch keine sachliche Auseinandersetzung, sagt das Gericht.

Die amtliche Freiheit endet, wo sie missbraucht wird

Hoffentlich ist das nicht das letzte Wort. Staatliche Neutralität ist ein Prinzip, das nicht nur im Wettbewerb von Parteien eine Rolle spielt. Es ist elementar im politischen Streit, dass Amtsträger die Kommunikationsmacht ihrer Ämter nicht für Propaganda missbrauchen. Man stelle sich vor, ein Bürgermeister verdunkelt das Rathaus, um ein Zeichen gegen demonstrierende Frauen zu setzen, die das Werbeverbot für Abtreibungen abschaffen wollen. Sachlich begründen kann man das gut. Aber es wäre Missbrauch und Einmischung. Ein Bürgermeister muss schon selbst auf die Straße gehen, wenn er derart konfrontativ in sensible Diskussionen eingreifen will.

Bürger sind freier als der Staat

Natürlich dürfen auch Amtsträger amtliche Symbole setzen. Gegen Hass zum Beispiel und für Menschlichkeit. Aber nicht gegen Demonstranten, die einen politischen Willen artikulieren, der dem eigenen entgegensteht. Bürger sind freier als der Staat. Davon lebt die Demokratie.

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