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Staatsfinanzen: Koalition steckt Finanzrahmen ab

Entscheidungen beim Koalitionspoker sind gefallen, finanzielle Spielräume künftiger Politik ausgelotet – doch wann Bürger entlastet werden, lassen Union und FDP offen.

Union und FDP wollen bis zur nächsten Woche mögliche Entlastungen der Bürger angesichts knapper Kassen prüfen. "Über verschiedene Vorschläge ist diskutiert worden", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nach der zweiten großen Runde der Koalitionsverhandlungen in Berlin.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte, es gebe Spielraum für die notwendigen Steuersenkungen. "Wir freuen uns, dass in diesem kollegialen Gespräch die Verhandlungen in der nächsten Woche weiter gehen können", sagte er. Beide Seiten waren sich bereits einig, die Bürger finanziell entlasten zu wollen, ob über Steuernachlässe oder bei den Sozialabgaben, war bisher unklar.

Ob die Bürger das schon im kommenden Jahr spüren oder erst später, ist noch offen. "Es ist klar, dass das eines der Themen der Debatte ist", sagte Rüttgers nur. Die Spielräume sind eher gering: Union und FDP gehen von einem Finanzloch von rund 34 Milliarden Euro bis 2013 aus. Das soll auch Grund gewesen sein, die Wünsche der Koalitions-Arbeitsgruppen von vornherein zu begrenzen.

Zumindest der Kassensturz ist nun abgeschlossen: Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, beide Seiten seien sich über die Zahlen der Finanzlage einig geworden. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach von einem "Finanztableau bis zum Jahre 2013". Damit stünden die finanziellen Spielräume für die gemeinsame Politik fest. Das Tableau sei "jetzt der Rahmen, in dem finanziell verhandelt werden kann".

Der Sachverständigenrat der sogenannten Wirtschaftsweisen warnte die Koalitionäre vor schuldenfinanzierten Steuersenkungen und mahnte Vorrang für eine "entschlossene Konsolidierung der öffentlichen Haushalte" an. "Für nennenswerte Steuersenkungen besteht auf absehbare Zeit kein finanzieller Spielraum", hieß es.

Die von Union und FDP verfochtene These, die Haushaltssanierung erledige sich bei Steuersenkungen über ein dadurch ausgelöstes höheres Wachstum selbst, sei allenfalls sehr begrenzt belegbar. Aufgrund der exorbitant gestiegenen Staatsverschuldung von etwa vier Prozent des Inlandsprodukts hat Brüssel ein Defizit-Strafverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Klarheit herrscht bei einem anderen Thema: Mit ihrem Wunsch nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inland hat sich die Union nicht gegen die FDP durchsetzen können. Die Leipziger Volkszeitung berichtete unter Berufung auf Innen- und Rechtsexperten von CDU, CSU und FDP, auch auf die von der Union angestrebte Änderung des Grundgesetzartikels 35, der den Einsatz der Streitkräfte bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen regelt, solle verzichtet werden.

Schon der frühere Koalitionspartner SPD hatte Pläne der Union gestoppt, Aufgaben der Polizei der Bundeswehr zu übertragen. Nicht durchsetzen konnten sich nach dem Bericht die Liberalen mit ihrer Forderung nach Korrekturen beim BKA-Gesetz, das heimliche Online-Durchsuchungen von Computern erlaubt.

Nach Informationen der Financial Times Deutschland haben sich die Arbeitsmarktexperten von Union und FDP darauf verständigt, möglichst noch in diesem Jahr das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger deutlich zu erhöhen. Die Unterhändler in der zuständigen schwarz-gelben Koalitionsarbeitsgruppe hätten sich darauf verständigt, dass die Freibeträge für die Ersparnisse der Langzeitarbeitslosen zur Altersvorsorge in etwa verdreifacht werden sollen.

Auf eine konkrete Summe wolle man aber im Koalitionsvertrag verzichten, um nicht schon im Vorfeld den Widerwillen der Haushaltspolitiker zu provozieren. Die Union fordert, den bisherigen Freibetrag von 250 Euro pro Lebensjahr auf 700 Euro zu erhöhen, die FDP will auf 750 Euro gehen.

Schon am Mittwochabend hatten die Unterhändler in einem wichtigen Punkt einen Konsens erzielt: Für die Bankenaufsicht in Deutschland soll künftig federführend die Bundesbank zuständig sein. Auch ist die Ernährungs-Ampel zur Kennzeichnung von Dickmachern in Lebensmitteln vom Tisch.

Laut Frankfurter Rundschau sind sich die Familienpolitiker der künftigen Koalitionspartner überdies darüber einig, die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer auf 8004 Euro von bisher 6024 Euro anzuheben. Zudem bestehe grundsätzlich Konsens darüber, in diesem Zusammenhang auch das Kindergeld erneut zu erhöhen, da viele Familien von einer Anhebung des Freibetrags nicht profitieren würden. Der Vorschlag der zuständigen Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP gehe in diese Richtung, sagte FDP-Vizechef Rainer Brüderle nach der zweiten Koalitionsrunde. Es sei aber noch nichts abschließend entschieden.

Aus Sicht der CSU zeigt die künftige Politik auch bereits das Profil der beteiligten Parteien. Generalsekretär Alexander Dobrindt sprach von "möglichen Markenzeichen" der Koalition von CDU, CSU und FDP, die sich bei den Gesprächen bereits abzeichneten. Es gehe um Entlastungen, um Konsolidierung und Zukunftsinvestitionen.

Streit gibt es bei der Außen- und Sicherheitspolitik, die Arbeitsgruppe hierzu tagt am Donnerstag erstmals. In den Gesprächen dürfte besonders die Wehrpflicht für Zündstoff sorgen, die FDP will sie abschaffen, die Union hält sie für unverzichtbar. Als möglicher Kompromiss gilt, die Wehrdienstzeit zu verkürzen. Auch der Gesundheitsfonds, den die FDP abschaffen will, und die Gentechnik werden die Koalitionäre noch länger beschäftigen.

Auf der Unionsseite preschte bereits Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) vor, der erhebliche Korrekturen am Gesundheitsfonds verlangte. Den Krankenkassen müsse es wieder möglich sein, unterschiedliche Beiträge zu erheben – auch von Bundesland zu Bundesland, sagte Oettinger bei der Vorstellung der Forderungen der Südwest-CDU an die künftige Bundesregierung. "Den Gesundheitsfonds aufzulösen, halte ich nicht für zwingend notwendig." Dieser könne auch in Zukunft als Kapitalsammelstelle erhalten bleiben.

Quelle: ZEIT ONLINEm dpa, tst

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