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Politik: Stasi-Akten: Kritik an Thierse

DDR-Bürgerrechtler haben das von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) angeregte Ende der Stasi-Überprüfung im öffentlichen Dienst heftig kritisiert. Thierse sei ahnungslos, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz bei einer von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur veranstalteten Podiumsdiskussion am Montagabend.

DDR-Bürgerrechtler haben das von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) angeregte Ende der Stasi-Überprüfung im öffentlichen Dienst heftig kritisiert. Thierse sei ahnungslos, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz bei einer von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur veranstalteten Podiumsdiskussion am Montagabend. Alle bisherigen Überprüfungen seien "in akzeptierter und entspannter Form" verlaufen. Im Bundestag zum Beispiel "sitzen etliche IMs, die sind demokratisch gewählt", sagte Schulz. Man könne also nicht pauschal sagen, dass Stasi-Informanten zwangsläufig wegen ihrer veröffentlichten Akten im wiedervereinigten Deutschland gestrauchelt seien.

Dem Magazin "Der Spiegel" hatte Thierse gesagt, die Zeit der Regelanfrage bei der Behörde sei vorbei. Wer sich zwölf Jahre in der Demokratie bewährt habe, dürfe nicht wegen einer 20 Jahre alten Akte aus der Bahn geworfen werden, so Thierse.

Als Reaktion auf das vor eineinhalb Wochen getroffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Herausgabe von Akten über Helmut Kohl schlug Schulz eine Neufassung des Stasi-Unterlagengesetzes vor. Einig war er sich darin in dem von Tagesspiegel-Redakteur Robert Ide moderierten Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten und DDR-Bürgerrechtlern Markus Meckel (SPD) und Günter Nooke (CDU).

Während Schulz aber nur den Halbsatz aus dem Gesetz gestrichen sehen will, der für das Kohl-Urteil ausschlaggebend war und die Herausgabe von Informationen über Personen zur Zeitgeschichte nur dann erlaubt, wenn "sie nicht Betroffene" einer Bespitzelung "oder Dritte" sind, will Nooke zukünftig eine neue Einschränkung vornehmen. Die Stasi-Akten seien nicht dazu da, Internes aus dem politischen Leben der früheren Bundesrepublik offenzulegen, sagte er. Er selbst halte zwar eine unterschiedliche Behandlung von Ost- und Westdeutschen für unvernünftig, habe aber auch die Mehrheitsfähigkeit eines novellierten Stasi-Gesetzentwurfes im Bundestag im Blick. Einer raschen Präzisierung des Gesetzes indes räume er wenig Chancen ein.

"Wir sind aber unter Zeitdruck", sagte SPD-Mann Meckel. Bei einer Gesetzesneufassung sei allein schon deshalb Eile geboten, weil laut Paragraf 14 des Stasi-Unterlagengesetzes in seiner bisherigen Fassung Anfang des nächsten Jahres die Vernichtung von Akten beginnen könne. Dies müsse verhindert werden.

In der Stasi-Unterlagenbehörde von Marianne Birthler stapeln sich derzeit rund 2600 Anträge von Wissenschaftlern und Journalisten, die Unterlagen zu Personen der Zeitgeschichte einsehen wollen. "Wir haben die Bearbeitung nicht eingestellt, aber wir wissen noch nicht, welcher Spielraum bleibt", sagte Herbert Ziehm, Leiter des Auskunftsreferats bei der Birthler-Behörde. Er wolle warten, bis die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.

Post von Birthler

ide. Die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat erstmals schriftlich auf das Kohl-Urteil reagiert. In einem Brief an Historiker und Journalisten kündigte sie eine veränderte Herausgabe von Stasi-Unterlagen über Prominente an. "Nach der mündlichen Urteilsbegründung dürfen wir ab sofort nur noch Unterlagen zu Personen zur Verfügung stellen, wenn diese entweder Mitarbeiter bzw. Begünstigte des MfS waren oder wenn sie schriftlich ihre Einwilligung zur Herausgabe gegeben haben." In dem zweiseitigen Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird auch ein vorläufiger Herausgabe-Stopp für Akten über die NS-Diktatur angekündigt. Ob diese Unterlagen weiterhin zugänglich seien, "lässt sich erst beantworten, wenn wir die schriftliche Urteilsbegründung kennen", heißt es.

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