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Politik: Statistisch auffällig

Neue Studien zu Krebsfällen rund um Atomanlagen – Niedersachsens Sozialministerin will Meldepflicht

Der Streit über die gesundheitlichen Auswirkungen von Atomanlagen auf die Menschen in der jeweiligen Umgebung dauert schon Jahre. Am heftigsten wird er in der Gegend rund um das Atomkraftwerk Krümmel geführt. Nun sieht sich die „Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch“ durch immer mehr Gutachten in ihren Befürchtungen bestätigt.

So ist erst vor Kurzem bekannt geworden, dass es eine statistische Häufung von Krebsfällen in der Nähe des Skandal- Atomendlagers Asse gibt. Auf einer internationalen Tagung von Epidemiologen in Florenz wurden nun bislang nicht veröffentlichte Ergebnisse vorgestellt, die eine auffällige Krebshäufigkeit von Erwachsenen aufzeigen, die sieben Kilometer und dichter zum von 1963 bis 1986 betriebenen italienischen Kernkraftwerk Latina südlich von Rom gelebt haben und leben. Dazu wurde Datenmaterial von Krebsfällen zwischen 1996 und 2006 sowie von Krebstoten von 1996 bis 2007 herangezogen. Dabei ist für Frauen eine erhöhte Anzahl Lungen- und Brustkrebserkrankungen festzustellen. Bei Männern mit einem Wohnabstand von einem bis drei Kilometern zeigte sich ein erhöhtes Krebsrisiko. Der Epidemiologe Eberhard Greiser von der Medizinischen Fakultät der Universität Bremen, der für das Bundesamt für Strahlenschutz eine gutachterliche Stellungnahme zur umfassenden Kinderkrebsstudie KiKK abgegeben hat, ist alarmiert. „Man kann an diesem Befund nicht einfach so vorbeigehen.“ Er fordert eine Auswertung der Daten von Erwachsenen in der Umgebung deutscher Atomanlagen.

Ergebnisse, die Hagen Scherb vom Helmholtz-Zentrum München mit Kristina Voigt und Ralf Kuschmierz zum Zahlenverhältnis von männlichen zu weiblichen Geburten in Deutschland, in der Schweiz und in Belgien in einem 35 Kilometer betragenden Nahbereich von atomaren Anlagen herausgefunden hat, bestätigen die Forschungsergebnisse nach dem Tschernobyl-Fallout: Es gibt weniger Mädchengeburten. Im Umkreis von 31 deutschen Atomanlagen waren dies 15 000 weniger als im üblichen statistischen Mittel. Die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges vermuten, dass es einen Einfluss auf das Erbgut durch ionisierende Strahlung gibt. Die Beobachtung findet sich auch in der Umgebung des Endlagers Asse. Dort stehen 142 Jungen- 105 Mädchengeburten zwischen 1971 und 2009 gegenüber. Kuschmierz sagte dem Tagesspiegel, dass die Geburtenerkenntnisse wie die KiKK-Studie zeigten, dass die derzeitigen Strahlenschutzvorschriften nicht ausreichend sind.

Im niedersächsischen Landtag widersprach Sozialministerin Aygül Özkan Bundesumweltminister Norbert Röttgen (beide CDU), dass das Endlager Asse als Ursache für die Krebsauffälligkeit der Region ausscheide. Sie appellierte an Betroffene, sich bei Gesundheitsämtern zu melden. Sie plädierte zudem für eine Meldepflicht für Krebserkrankungen.

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