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Politik: Steuerreform vor Korrektur: Die Banken wehren sich - Nun wird über die Rücknahme der Regelung diskutiert

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, ist empört. Mit dem Steuersenkungsgesetz verrät die rot-grüne Bundesregierung seiner Ansicht nach eine kräftige Portion "Misstrauen gegen die Kleinaktionäre".

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, ist empört. Mit dem Steuersenkungsgesetz verrät die rot-grüne Bundesregierung seiner Ansicht nach eine kräftige Portion "Misstrauen gegen die Kleinaktionäre". Die Finanzämter würden künftig sogar bei den Banken schnüffeln lassen, wer wie viel Dividenden kassiert. Es drohe "der gläserne Aktionär", eine für den Liberalen Solms eher unangenehme Vorstellung.

Stein des Anstoßes: Finanzminister Hans Eichel (SPD) will Dividendenerträge künftig neben Zinseinkünften gesondert beim Bonner Bundesamt für Finanzen erfassen. "Aktionäre zittern: Eichel kippt das Bank-Geheimnis", meldete die "Bild"-Zeitung am Mittwoch mit großer Überschrift. Im "klein Gedruckten" der Steuerreform verberge sich der Angriff auf das Bankgeheimnis. Das klein Gedruckte füllt in der vorläufigen Arbeitsfassung des Steuersenkungsgesetzes immerhin eine ganze DIN-A-4-Seite. Auf ihr steht der neue Paragraf 45 d des Einkommensteuergesetzes (EStG), in dem geregelt ist, wie Kapitalerträge künftig dem Bundesamt für Finanzen gemeldet werden müssen. Bislang zeigen die Banken dort an, wie weit Freistellungsanträge für Kapitalerträge, also Zinseinkünfte oder Dividenden, in Anspruch genommen wurden. Damit soll sichergestellt werden, dass kein Steuerzahler Kapitalerträge über dem Freibetrag von 3100 Mark für Ledige (Verheiratete: 6200 Mark) erhält, weil er bei verschiedenen Banken mehrere Freistellungsaufträge stellt. Künftig soll diese pauschale Meldung der freigestellten Kapitalerträge aufgesplittet werden: Dividenden tauchen gesondert auf.

Dadurch ist zwar nicht das ohnehin löchrig gewordene Bankgeheimnis bedroht. Doch der Staat greift so "an die Buchhaltungsergebnisse der Banken", kritisiert Solms. Nach der Privatisierung der Telekom sei es endlich gelungen, den Deutschen den Aktienmarkt schmackhaft zu machen: "Jetzt verlieren die Leute wieder die Lust." Ganz so schlimm sah es am Mittwoch der Bundesverband deutscher Banken nicht. Dessen Vize-Geschäftsführer Wolfgang Arnold antwortete auf die "Bild"-Geschichte knapp: "Diese Darstellung ist unzutreffend." Tatsächlich hat die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Neuregelung des Paragrafen 45 d EStG weder etwas damit zu tun, dass künftig Spekulationsgewinne aus Aktien ermittelt werden könnten, noch hebt sie das Bankgeheimnis auf. Aber der Verwaltungsaufwand für die Banken würde mit der Meldepflicht "unverhältnismäßig" erhöht.

Als "nicht nachvollziehbar" bezeichnete ein Sprecher des Bankenverbandes das. "Die differenzierten Meldungen kosten die Banken einen ungeheuren Verwaltungsaufwand, ohne dass die Informationen einen Wert haben", sagte er. Doch die Banken haben Hoffnung. "Dem Vernehmen nach ist beabsichtigt, diese Regelung nicht zuletzt mit Blick darauf zurückzunehmen", berichtete Arnold.

Dann wäre die ganze Aufregung umsonst gewesen. Doch Finanzminister Eichel ließ in Berlin erklären, dass er von der Neuregelung nicht lassen will. Warum beharrt die Regierung dann aber auf ihrem Gesetz? "Wir machen das im Interesse der Kleinaktionäre", sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums. Schuld an allem ist die Systemumstellung im deutschen Steuerrecht vom so genannten Vollanrechnungs- zum so genannten Halbeinkünfteverfahren. Demnach müssen Aktionäre künftig nur noch die Hälfte der Dividenden zu ihrem individuellen Steuersatz versteuern. Zinsen unterliegen dagegen voll der Steuer. Logische Konsequenz für das Finanzministerium: Freigestellte Zinsen und Dividenden müssen getrennt ausgewiesen werden.

Ein Rechenbeispiel: Erzielt ein Lediger Kapitalerträge von 4000 Mark, liegt er über dem Freibetrag von 3100 Mark. Weist er das aber als Dividende aus, muss nur die Hälfte versteuert werden, also 2000 Mark. Die liegen aber unterhalb des Freibetrags, alles bliebe also unversteuert. Die Banken meinen, dass auch sie in der Lage sind, das bereits zu berücksichtigen. Sie könnten bei den pauschalen Freistellungen die Dividenden einfach nur zur Hälfte ansetzen, und alle Probleme wären gelöst. So wird es wohl auch kommen. Zwar dementiert Eichel noch, dass er den Paragrafen 45 d EstG "zurückändern" will, doch intern ist offenbar alles bereits anders entschieden. In den zuständigen Referaten des Ministeriums in Bonn liegen jedenfalls seit einiger Zeit schon Entwürfe, von denen Eichels Presseabteilung entweder nichts weiß oder nichts wissen will.

Wenn, wie nach großen Gesetzesvorhaben wie der Steuerreform üblich, die eine oder andere Panne korrigiert wird, soll in einer Art "Omnibus"-Gesetz der umstrittene Paragraf gleich mitgeändert werden. Seit kurzem ist nämlich auch das Bundesamt für Finanzen technisch in der Lage, selber herauszufinden, ob Kapitalerträge aus Zinsen oder Dividenden stammen. "Die gesonderte Mitteilung ist also nicht mehr nötig." Eichel kann sich durchaus Zeit lassen mit der Korrektur. Vor Mai 2002 wären die neuen Mitteilungen ohnehin nicht fällig. Dann aber wird das Gesetz in diesem Punkt anders und alles wieder so sein, wie es war.

Carsten Germis

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