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Politik: Steuerrunde mit Hintergedanken

Ministerpräsidenten unterhalten sich über radikales Reformmodell

Erwin Teufel hat geladen, die meisten kommen. Eine parteiübergreifende Ministerpräsidentenrunde soll sich an diesem Donnerstag zwei Stunden lang in der baden-württembergischen Landesvertretung über eine Steuerreform unterhalten. Nicht die aktuelle oder deren Vorziehen. Nein, fast fernab der politischen Hektik soll es um den großen Wurf gehen, die Reform nach der Reform sozusagen. Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof arbeitet seit Jahren an einer radikalen Neuorientierung des Steuerrechts. Aus einer unüberschaubaren Gemengelage soll ein einfaches System werden, das auch von Menschen verstanden wird, die sich nicht hauptberuflich damit beschäftigen. Die Steuererklärung, so Kirchhof, werde dann eine Angelegenheit von wenigen Minuten sein. Steuerpolitik soll nicht mehr dazu dienen, zu lenken und zu subventionieren. Der Steuersatz soll bei 25 Prozent für alle liegen, die volle Steuerpflicht soll erst bei 20 000 Euro einsetzen. Das wird Kirchhof der Runde erläutern.

Man wolle das Thema nicht in den „politischen Häuserkampf“ ziehen, heißt es bei der Union. Ganz ohne Hintergedanken aber dürfte Teufel seine Kollegen nicht eingeladen haben. Denn die Reform der Steuerreform, das ist abzusehen, wird den Parteienstreit der nächsten Jahre und möglicherweise den Wahlkampf 2006 bestimmen. Am 6. Oktober stellt CDU-Chefin Angela Merkel ein Steuerkonzept ihrer Partei vor, das auf Vereinfachung setzt – und dem Vernehmen nach nicht weit weg ist von den Ideen Kirchhofs. Vielleicht hat das der Mainzer SPD-Ministerpräsident Kurt Beck gespürt, der Teufel absagte. NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) hingegen wollte kommen. Sein Sprecher stellte aber klar, sollte von „interessierter Seite“ der Eindruck erweckt werden, Nordrhein-Westfalen könne sich gegen die rot-grüne Steuerpolitik positionieren, „so ist das schlichtweg falsch“. Einen Tag vor der Bundesratssitzung über Haushalt, Vorziehen der Steuerreform und Hartz-Reformen soll nicht der Eindruck entstehen, man mache hier Front gegen Berlin.

Steinbrück und Beck sind freilich in einer zwiespältigen Situation. Ihre Länder unterstützen und finanzieren – mit den Unions-Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen – Kirchhofs Arbeit. Steinbrück hat schon als Finanzminister eine gründliche Steuerreform befürwortet. Den Satz von Teufel, man brauche ein Steuerrecht, „das einfach, für die Bürger plausibel und gerecht ist“, kann er ohne weiteres übernehmen. Doch wer macht am Ende mit dieser Idee einer radikalen Reform auch Politik? Die Union schickt sich an, dies zu tun. Das könnte aber auch ihr Probleme schaffen. Denn Kirchhof will Steuervergünstigungen abschaffen. In der aktuellen Debatte sperrt sich die Union dagegen, etwa bei der Pendlerpauschale oder der Eigenheimzulage.

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