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Politik: Stoiber erleichtert, Wowereit sarkastisch

Die Staatsreform ist einen Schritt weiter – weil die Länder dem Bund drei Jahre Übergangsfrist zugestehen

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Berlin - Fünf Stunden haben sich die Föderalismusreformer von Union und SPD aus Bund und Ländern am Donnerstag nochmals Zeit genommen, um die letzten ungeklärten Fragen bei der Staatsreform zu lösen. Es war ein juristisches Kolloquium – vor allem rechtliche Verfahrensfragen waren zu klären, nicht zuletzt, was den Übergang vom alten zum neuen Verfassungsrecht betrifft. Und natürlich ging es um Geldfragen, wie immer, wenn Bund und Länder verhandeln. Am Abend dann erleichterte Mienen. Das Ergebnis stand: In der Sache wollen die Spitzen von SPD und Union keine Abstriche an der schon im Koalitionsvertrag detailliert vereinbarten Reform machen, aller Kritik zum Trotz. Und in den Verfahrensfragen gelang eine Einigung, weil die Länder bei den Übergangsfristen nachgaben. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der in den letzten beiden Jahren zwei vergebliche Anläufe zur Reform erlebt hat, konnte endlich einen Vollzug melden: „Das Ende einer jahrelangen Debatte, die Reform ist in trockenen Tüchern.“

Ein wenig skeptischer klang Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Denn trotz der Einigung in der Spitzenrunde und dem Beschluss, am 10. März das Gesetzgebungsverfahren zu starten, ist das von Stoiber verkündete Ende noch nicht ganz erreicht. „Alle Ministerpräsidenten und alle Mitglieder des Bundestags müssen erkennen, dass es um ein Gesamtpaket geht, das nur gemeinsam beschlossen werden kann.“ Reformbefürworter Wowereit kennt die Bedenken, die sich zuletzt deutlicher artikuliert haben. Einige Länderchefs wollen beim Beamtenrecht nun doch nicht das Sagen haben. Bildungs- und Umweltpolitiker, vor allem in der SPD-Bundestagsfraktion, verlangen deutliche Änderungen zu Gunsten des Bundes. Und dann gibt es noch die zentralistischen Wunschkataloge vieler Interessenverbände.

Auch in der Regierung gibt es Widerstand. Am Mittwoch war es im Kabinett nach Angaben von Teilnehmern zu Differenzen gekommen. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte davor, der Zugewinn an Bundeskompetenz zur Schaffung eines einheitlichen Umweltgesetzbuches sei wenig wert, wenn die Abweichungsrechte der Länder so blieben wie vereinbart. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), wie Stoiber ein gebranntes Kind in Sachen Staatsreform (die beiden leiteten die Ende 2004 gescheiterte Föderalismuskommission), wies Gabriels Vorstoß für Änderungen zurück und wandte sich energisch dagegen, auch nur Einzelpunkte wieder in Frage zu stellen.

Bis zum Sommer soll das Reformpaket durch Bundesrat und Bundestag gegangen sein. Es kann aber auch länger dauern. Und wirksam wird die Reform dann immer noch nicht sein. Denn der Bund setzte durch, dass die Übergangsfrist vom alten zum neuen Recht bis Ende 2009 läuft; die Länder waren der Meinung, ein Jahr reiche. Das bedeutet nun zum Beispiel, dass die Länder wohl erst in drei Jahren auch bei bestehenden Gesetzen das Verwaltungsverfahren eigenständig regeln können – einer der Kernpunkte der Reform, weil die Länder dafür auf Zustimmungsrechte im Bundesrat verzichten. Auch für das Umweltgesetzbuch gilt die Dreijahresfrist, was in Länderkreisen für Verwunderung sorgte: Erst heiße es, das zentrale Umweltgesetzbuch sei vordringlich, daher müsse der Bund gestärkt werden, und nun sei plötzlich Zeit bis 2009. Wowereit meinte sarkastisch: „Wenn der Bund Handlungsbedarf sieht, muss er die Frist bis 2009 ja nicht ausschöpfen.“

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