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Politik: Stolpe muß sich entscheiden und ein Stück weit selber entzaubern (Meinung)

Wähler haben es besser: Sie können sich entscheiden, aber sie müssen nicht. In Brandenburg hatte die Hälfte aller Wahlberechtigten keine Lust, Parteien und Namen anzukreuzen.

Wähler haben es besser: Sie können sich entscheiden, aber sie müssen nicht. In Brandenburg hatte die Hälfte aller Wahlberechtigten keine Lust, Parteien und Namen anzukreuzen. Die andere Hälfte hat sich - vom Ergebnis her betrachtet - ebenfalls um eine Entscheidung gedrückt. Jetzt ist in diesem Land, auch "kleine DDR" genannt, zweierlei möglich: Ein Schritt nach vorne, auf die Wirklichkeit in Deutschland zu - oder ein Schritt zurück in das trügerische Traumland des Sozialimus. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe ist in dieser Hinsicht wie seine Wähler. Er mag sich nicht gerne entscheiden. Klare und offene Worte haben nämlich einen Nachteil: Sie verprellen diejenigen, die anders denken. So hat es Stolpe zu seiner Regierungskunst entwickelt, sich möglichst gar nicht, mindestens aber unauffällig festzulegen.

Diese Rätselhaftigkeit zieht sich durch sein gesamtes Wirken. Ob es die alten Stasi-Geschichten sind, sein schwammiges Verhalten zur Ausländerfeindlichkeit oder zum Kurs der Bundesregierung - stets schwebt ein Zweifel über Stolpes Worten: Hat er das wirklich so gemeint? Nur ein Mal handelte Stolpe in einer wichtigen Sache gegen sein Prinzip, und prompt sah er sich bestätigt: Stolpe musste sagen, dass er für ein gemeinsames Land mit Berlin ist, aber die Brandenburger wollten das nicht. Nie zuvor schien Manfred Stolpe weiter entfernt von der Stimmung im Land.

In diesen Tagen steht Stolpe nun abermals vor einer Entscheidung, die er nicht vernebeln kann: Mit der CDU - oder mit der PDS? Eigentlich ist Stolpe schon weiter. Er weiß: Die Entscheidung muss gegen die PDS und für die CDU fallen, denn ein politischer Hasardeur ist er nicht. Ein Bündnis mit der PDS, geschlossen wenige Tage vor der Wahl in Berlin, machte Stolpe nicht nur in der SPD zur persona non grata; es würde es ihm auch erschweren, die Politik zu betreiben, die er für richtig hält. Aber Stolpe ziert sich. Denn egal, was er seiner Partei am Ende empfiehlt: Die politische Kunstfigur Stolpe, die viel zu viel Hoffnung gab, wird dann ihren Zauber vollends verlieren. Erst mussten die Brandenburger erleben, dass ihr Ministerpräsident gegenüber der Bundesregierung machtlos ist, ja, wie ihn der Kanzler verhöhnte, wenn er nur zaghaft den Finger hob. Jetzt, mit der Entscheidung entweder gegen die CDU oder gegen die PDS, wird ein Teil seiner Wähler erkennen, dass sie ein falsches Bild von ihm hatten.

Solche Probleme hat Regine Hildebrandt nicht. Für sie ist es eine Ehre, die resolute Türsteherin an der letzten Wärmestube des Sozialmus zu sein. Jörg Schönbohm ist für sie ein Kulturschock. Sie wird den CDU-Mann aus dem Westen aber hereinlassen müssen. Ihre Macht in der Partei ist zwar groß, aber nur der Lautstärke nach beherrschend. Die Mehrheit der SPD will nicht weiter träumen, weil das Erwachen immer nur noch schrecklicher wird. Es stimmt schon: Die Leute lieben Hildebrandt. Bei Meinungsumfragen ist niemand beliebter als sie. In den Bundesvorstand der westgeprägten SPD wurde sie mit dem besten Ergebnis aller Kandidaten gewählt.

Aber die Sozialdemokraten spüren sehr wohl: Hier geht es nicht allein um Frau Hildebrandt und ihre Wut auf die CDU. Stolpe ist bemüht, die Aufmüpfige und damit auch ihren Anhang wieder einzufangen, so wie es Schröder mit Klimmt gemacht hat. Als ungebundene Furie könnte sie ihm schaden. Schönbohm wird dabei helfen, notfalls mit einer Friedensgeste. Die Teilhabe an der Macht kann er nicht aufs Spiel setzen. Weitere Jahre auf der Oppositionsbank würde die CDU nicht verkraften. Der Wahlerfolg wäre nichts wert.

Stolpe hat keine Wahl, aber er hat eine Chance: In einer Regierung mit der CDU kann er das sein, was er am liebsten ist - der über den Niederungen schwebende Moderator, eine Art Rau des Ostens. Er ist dann freier als je zuvor. Denn dieses Mal wird er Farbe bekennen: schwarz.

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