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Streit in der Union: Rüttgers-Rentenvorschlag rüttelt an CDU-Grundsätzen

Die Auseinandersetzung in der CDU um die Renten-Vorschläge von Jürgen Rüttgers entwickelt sich immer mehr zu einem Grundsatzstreit über den Parteikurs. Die Parteispitze beharrt darauf, dass die Verantwortung des Einzelnen wichtiger bleiben müsse als eine staatliche Existenzsicherung.

Von der Spitze der CDU-Bundestagsfraktion wird der Vorstoß von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nach höherer Rente für langjährige Geringverdiener abgelehnt. Das sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Norbert Röttgen am Dienstag. Röttgen warf dem stellvertretenden Parteivorsitzenden und nordrhein-westfälischen Regierungschef vor, mit seinem Vorschlag die christlich-sozialen Wurzeln der CDU zu verlassen. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann  verwies dagegen auf einen Beschluss des Leipziger Parteitages 2003, welcher Rüttgers stütze.

Danach sollen laut Laumann Rentner, die ein Leben lang in die Rentenversicherung eingezahlt und voll gearbeitet haben, eine Versorgung erhalten, die 15 Prozent oberhalb der Grundsicherung liegt. "Jürgen Rüttgers hat nichts anderes getan wie einen Vorschlag zu machen, wie man dieses umsetzen kann", sagte das CDU-Präsidiumsmitglied Laumann dem Sender WDR5. Er verwies auch darauf, dass sich in den nächsten Jahren das Problem verschärfen werde, weil immer mehr Menschen nur ein geringes Einkommen durch Arbeit erzielten. Laut Laumann kämen bei Umsetzung der Rüttgers-Vorschläge im Jahr 2030 Zusatzkosten in Höhe von 2,3 Milliarden Euro auf die Rentenversicherung zu.

Partei-Spitze gegen Rüttgers-Pläne

Röttgen warf Rüttgers hingegen vor, sich von der geistigen Grundausrichtung der Partei wegzubewegen. Diese beruhe darauf, dass zunächst nach der Verantwortung des Einzelnen gefragt werde und erst in zweiter Linie nach einer staatlichen Existenzsicherung. Röttgen verlangte, dass der Streit in der CDU um die Position von Rüttgers ausgetragen werde. "Die CDU muss klar machen, was ihre Grundposition in der Sozialpolitik ist."

Gegen die Forderung nach höheren Renten für Geringverdiener hatten sich am Montag bereits die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel sowie Unions-Fraktionschef Volker Kauder gewandt. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zeigte sich in den "Stuttgarter Nachrichten" ebenfalls skeptisch: "Fest steht: Am Prinzip, dass jeder eingezahlte Euro gleich behandelt wird, darf nicht gerüttelt werden - egal, ob er zu einer kleinen, mittleren oder hohen Rente führt."

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, forderte Rüttgers auf, ein schlüssiges Finanzierungskonzept für die angestrebte Rentenaufstockung vorzulegen. Er sagte der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung": "Es ist ein wünschenswertes Ziel, dass jemand, der lange eingezahlt hat, mehr herausbekommt als das Sozialhilfe-Niveau. Aber diese Vorschläge müssen finanzierbar sein und sie dürfen nicht zulasten der jungen Generation gerechnet werden."

Finanzwissenschaftler hält Altersarmut für überschätzt

In der SPD sind die Meinungen geteilt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz sagte im Deutschlandfunk: "Herr Rüttgers hat wie immer keinen Vorschlag gemacht, sondern nur den Versuch, Aufregung auszulösen und Wellen zu schlagen." Er rechne auch nicht damit, dass ein entsprechender Antrag im Bundesrat folgen werde, ergänzte Scholz. Denn dann müsste Rüttgers nicht nur erklären, wer Geld bekommen solle, sondern auch, wem er es wegnehmen wolle. Unterstützung bekam Rüttgers indes von der Opposition in seinem Bundesland: SPD-Landeschefin Hannelore Kraft zeigte sich "grundsätzlich offen für Gespräche" über den Vorschlag. "Jürgen Rüttgers sollte aber nicht nur reden, sondern eine Bundesratsinitiative mit konkreten Details und Finanzierungsvorschlägen vorlegen", sagte Kraft der "Rheinischen Post".

Der Verteilungsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Markus Grabka, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":  "Die materielle Lebenssituation der Älteren ist besser als die des Durchschnitts der Gesamtbevölkerung." Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg erläuterte in der Zeitung, Altersarmut sei eines der meistüberschätzten Phänomene der Gegenwart. "Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, auf ein armes Kind zu stoßen, etwa fünf Mal größer als die, auf einen armen Rentner zu stoßen." Reformbedarf bei der Rente sehe er erst in den Jahren ab 2030, sagte Raffelhüschen am Montagabend in der ARD. (jam/dpa)

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