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Löscharbeiten vor der Fahrzeug-Wartungshalle des Springer-Hochhaus in Berlin am 13. April 1968.

© picture-alliance/ dpa

1968 - 50 Jahre Studentenrevolte: Studenten gegen Springer

Der Kampf der Studenten war auch einer gegen die Machtlosigkeit. Ihr Ziel war es, Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Andere versuchen das heute wieder.

Am Gründonnerstag, dem 11. April 1968, schoss der Hilfsarbeiter Josef Bachmann auf den SDS-Wortführer Rudi Dutschke und verletzte ihn schwer. Für den Sozialistischen Deutschen Studentenbund und die Außerparlamentarische Opposition (Apo) war klar: "Der Hauptschuldige sitzt in der Kochstraße." Dort fand (und findet) sich der Axel Springer Verlag, der die "Bild"-Zeitung herausgibt. Der Springer-Komplex wurde belagert. Aus der spätestens seit dem Tod von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 erhobenen Forderung "Enteignet Springer!" wurde "Leute, macht die Fackeln aus, die brauchen wir fürs Springer-Haus". Brennende Lieferfahrzeuge, blutende Demonstranten, verletzte Polizisten waren die Folge.

Es war auch ein Kampf der Macht gegen die Machtlosigkeit. Springer beherrschte 70 Prozent des Zeitungsmarktes in West-Berlin. In der "Bild" vom 3. Juni 1967 hieß es zum Ohnesorg-Tod: "Er wurde Opfer von Krawallen, die politische Halbstarke inszenierten." Den Demonstranten warf der Kommentator vor: "Ihnen genügte der Krach nicht mehr. Sie müssen Blut sehen." Die Studenten wurden als "Rote SA" beschimpft.

Der SDS, die Asten der Universitäten und die Apo, sie verfügten über Flugblätter, Broschüren, Kleinstzeitungen wie das "Extra Blatt", über Szene-Postillen wie "Agit 883" oder "Der lange Marsch", sie drehten Filme und später Videos, es gab Straßentheater, Kabarett und Aktionen. Der öffentliche Raum war mehr ihre Öffentlichkeit als die Öffentlichkeit der Medien. Sie mussten lesen, hören und sehen, was über sie berichtet wurde, sie waren "Berichterstattete", welches Thema auch immer auf der Agenda stand: Anti-Atomkraft-Bewegung, Umweltschutz, Frauenbewegung, Deutscher Herbst 1977. Die Für-und-Wider-Haltungen mussten an die Öffentlichkeit andocken, wenn sie die Meinungsbildung der Öffentlichkeit beeinflussen wollten. Das "Gegen" musste professionalisiert, medialisiert, kommerzialisiert werden.

Die taz wollte "gesellschaftliche Verkrustungen wegätzen"

Die "Tageszeitung" (taz) hat mit ihrer ersten regulären Ausgabe am 17. April 1979 alles auf einmal versucht: eine in Berlin herausgegebene Tageszeitung, ein bundesweit vertriebenes Medium, käuflich am Kiosk und im Abonnement, über Spenden drittfinanziert, eine Zeitung "unserer Träume" für Studenten, Alternative, Grüne, Linksliberale, linke Sozialdemokraten und Hausbesetzer. Leserbriefe zentral platziert. Auf Seite 1 stand zu lesen: "Wer kann heute noch von Pressefreiheit reden? Wir werden versuchen, ein Blatt gegen jede Zensur und Nachrichtensperre zu publizieren."

Eine Mitarbeiterin postulierte, die "taz" sei nicht aus einer linken Bewegung, sondern aus einer linken Erstarrung entstanden, und gerade diese Erstarrung war es auch, die den Auslöser für dieses Projekt gegeben habe. Ein anderer schrieb, "die taz wird Säure werden müssen, um gesellschaftliche, politische und persönliche Verkrustungen wegätzen zu können".

Der Säuregehalt der Anfangsjahre war in der Tat hoch, zugleich blieb die Gefahr groß, dass sich die "taz" selber wegätzte. Die Zeitung musste und konnte sich konsolidieren. Heute ist sie ein Medium der alternativen Besserverdiener, die über 17.000 Mitglieder der herausgebenden Genossenschaft sind mehrheitlich zwischen 50 und 65 Jahre alt. Zum 30. Jubiläum platzierte der Springer-Verlag eine Anzeige: "Ist es nicht schön, ein Alter erreicht zu haben, in dem man Cocktails trinkt, anstatt sie zu werfen?"

Nicht die "taz" und nicht einmal der Tagesspiegel konnten und können alle gesellschaftlichen Fragen für alle Zeiten beantworten. Das wird beileibe auch nicht die Alternative für Deutschland (AfD) schaffen. Aber sie drängt mit Macht in die Öffentlichkeit – künftig mit eigenem Newsroom, der AfD-Inhalte in die sozialen Medien transportieren soll. Solange die Partei "von vielen Medien ignoriert oder mit Fake News gezielt schlechtgemacht wird, kann es nur diesen Weg geben", sagte die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel.

Die (medialen) Mittel für das Konstrukt der Gegenöffentlichkeit mögen sich ändern, das Ziel ändert sich nie: Öffentlichkeit zu werden.

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