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Lageralltag: Syrische Kinder in einem Flüchtlingscamp an der jordanischen Grenze.

© dpa

Syrer auf der Flucht: Jordanien macht Grenzen dicht

Die große Zahl syrischer Flüchtlinge macht Jordanien zu schaffen. Jetzt dürfen immer weniger ins Land. Denn der Unmut im Königreich wächst.

Alle Chemiewaffen sind unter Verschluss. Doch einem Frieden ist Syrien kein Stück näher gekommen. Es herrscht weiter Bürgerkrieg. Und die verzweifelten Menschen versuchen, sich vor ihm in Sicherheit zu bringen, Leid und Not so rasch wie möglich zu entkommen. Nur: Das wird von Tag zu Tag schwieriger.

Einige Anrainerstaaten sind offenbar nicht mehr gewillt, den Flüchtlingen uneingeschränkten Zugang zu gewähren. Grenzen werden entgegen allen offiziellen Beteuerungen dichtgemacht, Frauen, Männer und Kinder immer häufiger abgewiesen. Denn die Aufnahmeländer stöhnen unter der Last der Flüchtlinge.

Neben dem Libanon und der Türkei gilt das vor allem für Jordanien. Offiziell haben dort inzwischen 560 000 Syrer Zuflucht gefunden, Schätzungen gehen von bis zu einer Million aus, bei einer Gesamtbevölkerung von gut sechs Millionen. Das Königreich unter Abdullah II. fühlt sich völlig überfordert und weitgehend von der Weltgemeinschaft im Stich gelassen. Die Behörden kontrollieren deshalb seit einiger Zeit offenbar verstärkt und gezielt den Einlass ins Land.

Keine Palästinenser

Zum einen dürfen dem Vernehmen nach täglich nur noch ein paar hundert Menschen die Grenzen passieren. Diese werden mit Bussen zu Sammelpunkten und dann von dort aus in große Lager oder Krankenhäuser gebracht. Auf syrischer Seite warten aber offenbar viele Tausende darauf, dass ihnen Zugang ermöglicht wird. „Es ist generell immer schwieriger geworden, nach Jordanien zu gelangen“, sagt Matthias Leibbrand, Gründer und Leiter der Hilfsorganisation „Vision Hope“.

Zum anderen scheinen ganz bewusst bestimmte Gruppen abgewiesen zu werden. Nach einem jetzt veröffentlichten Bericht von Amnesty International sind davon Palästinenser, Menschen ohne Ausweise, alleinstehende Männer und bislang in Syrien lebende irakische Flüchtlinge betroffen. Die Zurückweisung der Vertriebenen stelle eine „schockierende Verletzung internationaler Menschenrechtsstandards“ dar, hieß es.

Diese Kritik wird die Verantwortlichen im haschemitischen Königreich jedoch kaum beeindrucken. Für sie hat sich der anhaltende Flüchtlingsstrom zu einem Problem von enormer Tragweite entwickelt – eines, das vor allem sozialen und politischen Sprengstoff birgt. Denn mittlerweile beklagen viele Jordanier, dass die notwendige Versorgung der Syrer immer häufiger zu ihren Lasten gehe. Das wenige Wasser müsse man mit den Flüchtlingen ebenso teilen wie beispielsweise den knappen Wohnraum. Schlimmer noch: Der steigende Bedarf an Unterkünften hat dazu geführt, dass die Mieten stark gestiegen sind. Viele Jordanier können sich die geforderten Preise nicht leisten.

Umkämpfter Jobmarkt

Hinzu kommt: Auch der Jobmarkt ist hart umkämpft. Viele Syrer bieten ihre Arbeitskraft zu Dumpinglöhnen an. Für die Einheimischen ist das ein Desaster, weil sie keine Anstellung zu den früher üblichen Konditionen mehr finden – was wiederum das Armutsrisiko verstärkt. Konkurrenz gibt es sogar im Klassenzimmer. Den Schulen fehlt es einfach an Platz, um sowohl syrische als auch jordanische Kinder aufzunehmen. Der Unmut wächst.

Matthias Leibbrand von Vision Hope wundert das nicht. Die großen Hilfswerke konzentrierten sich fast völlig auf die Unterstützung der Syrer, sagt er. Doch dies führe eben dazu, dass der Armut der Jordanier kaum Beachtung geschenkt werde – was die Betroffenen als große Ungerechtigkeit empfänden. „Will man dem berechtigten Unmut die Grundlage entziehen, muss sowohl den Flüchtlingen als auch den Einheimischen geholfen werden.“ So könne sozialen Unruhen vorgebeugt werden.

Angst vor Islamisten

Das wäre nicht zuletzt im Interesse des Herrscherhauses. Bislang hat es Abdullah vermocht, dass die schwierige Lage im Land nicht ihm angelastet wird. Das soll möglichst so bleiben. Doch selbst der König fürchtet die Flüchtlinge – nicht nur, weil sie aufgrund ihrer großen Zahl sein Reich instabiler machen, sondern auch, weil das Einsickern von politischen Unruhestiftern nicht ausgeschlossen ist.

Über eine allzu offene syrische Grenze könnten nämlich salafistische Kämpfer nach Jordanien eindringen und ihm womöglich gefährlich werden. Also lautet die vorbeugende Devise: dichtmachen.

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