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Die Opposition. Oberst Riad al Asaad kommandiert „seine Truppe“ aus der Türkei. Während andere desertierte Offiziere im Internet versprechen, nicht auf Landsleute zu schießen, geht der Protest auf der Straße wie hier in Homs weiter.

© REUTERS

Syrien: Syriens Deserteur-Armee wächst und wächst

Oberst Riad al Asaad führt Syriens Deserteure. Er sieht seine Truppe als bewaffneten Flügel der demokratischen Opposition - und die Aktionen gegen das Regime werden immer erfolgreicher.

Seine Worte sind kühl und überlegt, ihr Inhalt ist explosiv. Oberst Riad al Asaad will den syrischen Präsidenten Baschar al Assad mit Waffengewalt stürzen. Sein Instrument ist eine Armee von Deserteuren, die wie ein Schneeball wächst. Es seien jetzt mehr als 15 000 Männer in der Freien Syrischen Armee (FSA), bestätigte er am Mittwoch in einem Telefoninterview mit der BBC. Ihre Operationen werden zunehmend dreister und ihr Waffenarsenal größer. Anfang der Woche gelang ihnen sogar spektakulär ein Angriff auf die Zentrale des syrischen Geheimdienstes nahe Damaskus.

Der Oberst führt sein Kommando von einem unbekannten Ort in der türkischen Provinz Hattay aus. Er steht unter türkischem Schutz. Im Oktober musste er in die benachbarte Türkei fliehen, als die syrische Armee in Rastan bei Homs eine tödliche Militäroperation lancierte, um die FSA und ihren Anführer auszuschalten. Bei der Frage nach grenzüberschreitenden Operationen wird er wortkarg. Sein erklärtes Ziel ist es, den bewaffneten Kampf von Syrien aus zu führen, aber dazu würde er zuerst ein befreites Gebiet benötigen, von dem aus er operieren könnte.

Der 50-jährige Asaad war 31 Jahre lang Ingenieur der Luftwaffe; mehr ist über seine Biografie nicht bekannt. Ende Juli desertierte er aus der regulären Baath-Armee. Die Botschaft von der Gründung der FSA war übers Internet an die Öffentlichkeit gelangt. Zum Nachweis seiner Identität hatte Al Asaad seinen Ausweis in die Kamera gehalten und erklärt, nicht länger auf Zivilisten schießen zu wollen.

Asaad hat sich auch mit den Freien Syrischen Offizieren, einer weiteren bewaffneten Oppositionsgruppe, zusammengetan. Und mit der Schaffung eines temporären Militärrates, dem sieben hochrangige Offiziere angehören, hat er gezeigt, dass die Vernetzung der einzelnen, regionalen Militärbrigaden immer enger wird. Er selbst ist sunnitischer Muslim, hat aber auch alawitisch-schiitische Offiziere in seinem Kader und bestreitet jede Gefahr von religiösem Zwist. Das sei ein Schreckgespenst, das vom Regime am Leben gehalten würde.

Lesen Sie auf Seite 2, wie die Arabische Liga Druck auf das syrische Regime ausüben will.

Der Oberst sieht seine FSA als Zellkern einer neuen Armee und als bewaffneten Flügel der demokratischen Opposition. Der Syrische Nationalrat, die größte Oppositionsgruppierung, verweigert derzeit diesen Ritterschlag. Sie setzt weiter auf friedliche Mittel. Die Ziele sind aber die gleichen, auch der FSA-Kommandant lehnt jeden Dialog mit dem Assad-Regime ab, dem er jede Legitimität abspricht. Er selbst sagt, er habe keine politischen Ambitionen. Er setzt nicht in erster Linie auf die militärische Stärke der FSA, sondern darauf, dass die Absetzbewegung in der syrischen Armee so groß wird, dass sie das Ende des Assad-Regimes besiegelt.

Asaad warnte am Donnerstag auch vor Finten des Regimes: Mehrere Einheiten der syrischen Armee hätten damit begonnen, ihre Militärfahrzeuge blau zu lackieren und Soldaten in Uniformen der Ordnungspolizei zu stecken. So solle vorgetäuscht werden, dass alle Soldaten aus den Städten abgezogen wurden und nur noch Polizeieinheiten patrouillierten. Außerdem seien 175 Panzer und Artilleriegeschütze in die Siedlungsgebiete der alawitischen Minderheit gebracht worden, zu der Präsident Assad gehört.

Die Arabische Liga hatte dem syrischen Regime am Mittwochabend drei Tage Zeit gegeben, um einem Protokoll für die Überwachung des Abzugs der Armee aus den Städten durch arabische Beobachter zuzustimmen. Sollte dies nicht geschehen, wollen die Araber Wirtschaftssanktionen verhängen.

Nach den gescheiterten Vorstößen im Sicherheitsrat will Deutschland das Regime in Syrien von der UN-Vollversammlung verurteilen lassen. Am Montag soll ein entsprechender Resolutionsentwurf im Menschenrechtsausschuss der Vollversammlung eingebracht werden, hieß es am Donnerstag aus Diplomatenkreisen in New York. Eine Abstimmung in dem Gremium könnte schon am Dienstag erfolgen, das Parlament der 193 UN-Mitgliedsländer könnte dann im Dezember entscheiden. (mit dpa)

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