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Ein ukrainischer Soldat bewacht seine Stellung in Mariupol. Archivbild von Mitte März.

© picture alliance/dpa/AP

Tag 138 der russischen Invasion: Eine Million ukrainische Soldaten – was es mit der Zahl auf sich hat

Putin reist nach Teheran, Litauen verschärft Sanktionen und eine erfolgreiche Aktion des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Der Überblick am Abend.

Es war eine Zahl, die in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen sorgte: Die Ukrainer wollen angeblich eine Millionen Soldaten für eine Offensive im Süden des Landes zusammenziehen, hieß es in britischen und deutschen Medien. Moment mal: War nicht vor kurzem noch die Rede von einem Mangel an Kämpfern auf der Seite Kiews?

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Die Verwirrung ist leicht aufzulösen und geht auf eine unbedachte Überschrift der Kollegen bei der britischen "Times" zurück. Die haben den ukrainischen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow interviewt, das Ergebnis ist durchaus spannend. Überschrieben war der Text allerdings mit: "Ukraine has one million ready for fightback to recapture south." (Quelle hier).

Nur steht nirgends im Artikel, dass eine Millionen Soldaten bereit sind, den Süden des Landes zurückzuerobern (alle Details zur geplanten Offensive finden Sie in den Leseempfehlungen weiter unten). Resnikow erklärt lediglich, dass die Ukraine theoretisch über eine Million Erwachsene verfügt, die mit Waffen umgehen können. Seine Rechnung geht so: Die regulären Streitkräfte verfügen über 700.000 Mitglieder, darunter 400.000 Veteranen. Hinzukämen Polizei, Grenzschutz und Nationalgarde.

Der in Schottland lehrende Militärexperte Philips O’Brien geht von einer ukrainischen Truppenstärke aus, die bei rund 500.000 liegt. Zu 80.000 ausgebildeten Soldaten und 400.000 teils ausgebildeten Soldaten kommen noch Freiwillige aus dem In- und Ausland. Verluste hat O’Brien in seine Zahl schon eingerechnet. 

Und hier liegt auch die Krux: Nur mit Profis sind komplexe militärische Operationen durchzuführen. Und da ist das Reservoir der Ukrainer begrenzt. Reicht es für eine erfolgreiche Rückeroberung des Südens? Das werden die kommenden Wochen zeigen. 

WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Litauen blockiert Transfer von Alkohol, Zement und Holz nach Kaliningrad: Der baltische Staat setzt das fünfte EU-Sanktionspaket gegen Russland um. Dessen Präsident Putin versteht den Transit-Stopp als Provokation. Mehr hier
  • Nächsten Dienstag wird sich Putin in Teheran mit Raissi und Erdogan treffen. Es gibt außerdem Hinweise, dass Iran Russland im Ukrainekrieg unterstützen wolle. Mehr hier
  • Habeck stellt Priorisierung von Verbrauchern bei Gasknappheit infrage: Wenn Gas knapp wird, sind Verbraucher nach derzeitigen Regeln geschützt und die Industrie nicht. Hier müsse noch mal nachgedacht werden, meint der Wirtschaftsminister. Mehr hier.
  • Russland hat den USA die Verantwortung für ein erhöhtes Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den beiden Großmächten zugewiesen. Amerika und andere Staaten hätten „eine Verschärfung der ukrainischen Krise“ provoziert, erklärte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Dienstag in Moskau. Sie spielte damit offenbar auf westliche Waffenlieferungen für die Ukraine infolge des russischen Angriffskriegs an. Mehr in unserem Newsblog.
  • Der Spielzeughersteller Lego beendet wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seine Geschäfte. in Russland „auf unbestimmte Zeit“. Das bedeute die Kündigung der Partnerschaft mit der Inventive Retail Group, die 81 Geschäfte in Russland betreibt, und die Kündigung der Beschäftigten in Moskau, teilte Lego am Dienstag mit. Seine Lieferungen nach Russland hatte das Unternehmen schon im März kurz nach Beginn des Krieges eingestellt.
  • Der ukrainische Militärgeheimdienst erklärte, in einer Spezialoperation in der Region Cherson fünf Ukrainer aus russischer Gefangenschaft befreit zu haben. Zudem teilten ukrainische Militärvertreter mit, dass sie durch Raketenangriffe feindliche Artillerie, Panzerfahrzeuge sowie „ein Lagerhaus mit Munition in Nowa Kachowka“ zerstört zu haben. 
  • Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rechnet mit langwierigen Ermittlungen gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher in der Ukraine. Es seien „Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen von Beweismitteln, die gesichtet, dokumentiert und ausgewertet werden müssen“, sagte Buschmann am Dienstag am Rande eines informellen EU-Justizministertreffens in Prag. Das werde vermutlich viele Jahre dauern.
  • Im Zuge der EU-Sanktionen gegen Russland sind in Europa inzwischen fast 14 Milliarden Euro an russischem Vermögen eingefroren. Der Gesamtwert der sichergestellten Besitztümer von Oligarchen und anderen Verantwortlichen belaufe sich auf 13,8 Milliarden Euro, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders am Rande eines Justizministertreffens in Prag. Das sei "gewaltig", sagte der Belgier.
Ukrainische Soldaten in der Frontstadt Mykolajiw.

© IMAGO/NurPhoto

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Ukraine startet Gegenoffensive: Drei Faktoren, von denen ein Erfolg in der Südukraine abhängt

2. Das Personalproblem der russischen Armee: Putins verzweifelte Suche nach den letzten Reserven

3. „Ich möchte unbedingt zurück nach Berlin“: Ein minderjähriger Flüchtling aus der Ukraine verklagt den Senat

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