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Thesenpapier: SPD-Richtungsstreit flammt neu auf

Angesichts der Erfolge der Linkspartei fordern 60 SPD-Linke und Gewerkschafter eine wirtschaftspolitische Kehrtwende. Die Agenda 2010 sollte korrigiert werden und eine Umverteilung des Vermögens stattfinden. Der Linkskurs-Aufruf trifft in großen Teilen der SPD nicht auf Zustimmung. Parteichef Beck unterstützt das Thesenpapier allerdings.

Der SPD-interne Streit über die Ausrichtung der Sozial- und Wirtschaftspolitik gewinnt an Schärfe. Aus der Bundestagsfraktion wurde jetzt heftige Kritik an dem von der SPD-Linken verbreiteten Aufruf zu mehr sozialer Gerechtigkeit laut. Auch Parteichef Kurt Beck wird scharf angegangen für dessen angebliche Unterstützung der Thesen der Parteilinken.

Die 60 Unterzeichner des SPD-Aufrufs fordern angesichts der Erfolge der Linkspartei eine wirtschaftspolitische Kehrtwende. Versäumnisse der vergangenen Jahre hätten dazu geführt, "dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, die Angst der Mittelschicht vor Armut wächst und die Aufstiegsmöglichkeiten geringer werden, weil die Eliten sich zunehmend abschotten", heißt es in dem Aufruf, der am Dienstag bekannt wurde. "Politische Entscheidungen der vergangenen Jahre, die diese Entwicklung bewirkt beziehungsweise verstärkt haben, müssen korrigiert werden", schreiben die Verfasser mit Blick auf die Agenda 2010 der Regierung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD).

Beck stellt sich hinter SPD-Linke

Das Vermögen in Deutschland müsse "zum Wohle der Allgemeinheit" umverteilt werden, fordern die Unterzeichner, darunter 19 SPD-Bundestagsabgeordnete. Sie verlangen unter anderem die Rücknahme der Rente mit 67, die Wiedereinführung der Vermögensteuer, einen gesetzlichen Mindestlohn, höhere Hartz-IV-Regelsätze und eine gebührenfreie Ganztagsbetreuung.

Das Papier stellte SPD-Vorstandsmitglied Hilde Mattheis am Montag im Vorstand vor. Laut "Frankfurter Rundschau" vom Dienstag bezeichnete SPD-Chef Kurt Beck die Forderungen in der Sitzung als "wichtigen Beitrag" zu einem sozialdemokratischen Wahl- und Regierungsprogramm.

Thüringens SPD-Landesvorsitzender Christoph Matschie hat den Aufruf der Parteilinken zu einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel kritisiert. "Rot-Grün hat unter Gerhard Schröder gute Politik gemacht. (...) Die Arbeitslosigkeit ist deutlich zurückgegangen. Ich finde, die SPD sollte zu diesen Erfolgen stehen", sagte Matschie am Dienstag in Wiesbaden am Rande einer Konferenz der SPD-Fraktionschefs aus Bund und Ländern.

"Distanzierung von den letzten zehn Jahren SPD-Politik"

Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend sagte der "Rheinischen Post", der Text der SPD-Linken sei eine "Distanzierung von den letzten zehn Jahren SPD-Politik". Damit würden die ehemaligen und aktiven SPD-Bundesminister Ulla Schmidt, Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier angegangen. "Und ich verstehe nicht, warum der Parteivorsitzende das als einen wichtigen Beitrag für das Wahlprogramm ansieht", sagte Wend der Zeitung.

SPD-Fraktionsvize Klaas Hübner sagte: "Die vorgelegten Vorschläge weichen deutlich von den Hamburger Parteitagsbeschlüssen ab und fallen dahinter zurück. Ich warne sehr davor, den mit der Agenda vorgezeichneten Weg zu verlassen. Es würde mich sehr irritieren, wenn der Parteivorsitzende dies nicht genau so sieht."

Ypsilanti verteidigt Parteitagsprogramm von 2007

Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner sagte in Wiesbaden, die SPD habe ihren Kurs auf dem Hamburger Parteitag 2007 festgelegt. Er sehe keinen Anlass für eine Revision. Die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti forderte, ein Programm für die Bundestagswahl 2009 müsse auf der Grundlage des Hamburger Grundsatzprogramms stehen.

In der Diskussion über die von Ypsilanti geplante Regierungsübernahme mit Hilfe der Linken in Hessen stärkten Matschie und Stegner ihrer Kollegin den Rücken. Diese Entscheidung liege ausschließlich beim hessischen Landesverband, sagten beide.

Die Fraktionsvorsitzenden beraten bis Mittwoch über Gesundheits- und Bildungspolitik, die Frage einer Schuldengrenze für die öffentliche Hand und über die Bahnreform. Die Bundesminister Ulla Schmidt (Gesundheit) und Sigmar Gabriel (Umwelt) sowie die rheinland- pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen wurden am Dienstag zur Berichterstattung erwartet. (nal/AFP/dpa/ddp)

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