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© dpa

Treffen mit DGB: Lächelnde Distanz

Gewerkschaftsführer und Kanzlerin machen kleine Schritte aufeinander zu: Hauptthema war die Lage im Ausbildungsmarkt. Bis zu 50 Prozent der Lehrlinge und Studenten, befürchten die Gewerkschaften, könnten keinen Arbeitsplatz finden.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Angela Merkel dankt, vier Mal hintereinander, davon zwei Mal „herzlich“. Nun ist es ja üblich, dass eine Kanzlerin ihren Gästen Artigkeiten erweist. Doch DGB-Chef Michael Sommer und die Chefs der acht großen Einzelgewerkschaften machen am Freitagmittag im siebten Stock des Kanzleramts den Eindruck von Menschen, denen derart innige Umarmung nicht wirklich recht ist.

„Wahlkampf hin, Wahlkampf her“, sagt Sommer denn auch, als Merkels Dankeshymne auf die Mithilfe der Arbeitnehmervertreter bei der Umsetzung des Konjunkturpakets, bei der Ausbildung junger Menschen, bei der „Charta für Nachhaltigkeit“ für den G-20-Weltfinanzgipfel in Pittsburgh sowie ganz allgemein für „Verantwortung in schwieriger Zeit“ vorbei ist. Der DGB-Chef weiß, dies ist für ihn ein schwieriger Termin. Die Gewerkschaften dürfen sich von der CDU-Chefin nicht ins große CDU-„Wir“ hineinziehen lassen. Dass die Arbeitnehmerorganisationen keine Wahlempfehlung für die SPD abgegeben haben, hat schon für genug Stirnrunzeln gesorgt. Mit der Bundeskanzlerin im Gespräch bleiben müssen sie trotzdem. Mit dem Kanzlerkandidaten sprechen sie nächste Woche.

Sommer und Mitstreiter sind also gekommen. Gleichzeitig demonstriert der DGB-Chef in dem kurzen Kamera-Auftritt vor dem Treffen Distanz: „Zugespitzte Fragen“ werde man stellen, kündigt er an, „sehr viel intensiver nachfragen“ – zum Beispiel zum Stichwort Altersteilzeit –, wie Merkel das denn sehe. Und „irritiert“ seien die Gewerkschaften über gewisse Konzeptpapiere aus dem Haus des Wirtschaftsministers KarlTheodor zu Guttenberg (CSU).

Das klang recht stürmisch; aber als die Türen zu, die Kameras weg und das Mittagessen aufgetragen war, ging die Runde nach Auskunft beider Seiten rasch zu den dringlichen Sachfragen über. „Die Krise macht ja auch keine Pause, nur weil Wahlkampf ist“, sagt ein Teilnehmer von der Gewerkschaftsseite. Dass Merkel erkennen ließ, sie wolle nicht Einsparungen in den Vordergrund stellen, solange die Krise noch nicht überwunden ist, gefiel den Gewerkschaftsbossen; dass diese ihrerseits versprachen, bei Tarifrunden Maß zu halten, gefiel der Regierungschefin. Merkel habe überdies eine „klare Aussage“ gemacht, dass es mit ihr Abstriche beim Kündigungsschutz nicht gebe, berichtete Sommer nach dem zweistündigen Treffen; „sehr klar“ fanden andere Teilnehmer die Kanzlerin sogar. Kein Entgegenkommen hingegen bei der Verlängerung der auslaufenden Altersteilzeitregelung – erwartungsgemäß, denn das fordert auch die SPD.

Hauptthema war die Lage im Ausbildungsmarkt. Bis zu 50 Prozent der Lehrlinge und Studenten, befürchten die Gewerkschaften, könnten keinen Arbeitsplatz finden. Merkel erkundigte sich bei allen im Detail und sagte dann zu, prüfen zu lassen, wie die Bundesagentur für Arbeit zusätzlich helfen könne.

Nach dem Papier aus dem Hause Guttenberg, das unter der Überschrift „Industriepolitisches Konzept“ neoliberale Grausamkeiten aufgelistet hatte, haben sich die Gewerkschafter übrigens wirklich erkundigt. Merkel reagierte gelassen: „Die Beamten haben unter Rexrodt oder Clement doch schon das Gleiche aufgeschrieben!“ Keine Nachfragen. Wahlkampf ist die eine Sache. Aber wie hatte Sommer schon eingangs gesagt? „Es gibt auch immer einen Tag danach.“

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