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Trotz Embargos: Deutsche Waffen in Libyen gefunden

In Gaddafis Residenz wurden Gewehre des Herstellers Heckler & Koch gefunden - die dort wegen eines Embargos nicht hätten sein dürfen.

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Der Verdacht auf illegale Waffenlieferungen nach Libyen bringt Berlin in Erklärungsnot. Ein Bündnis von Rüstungsgegnern hat am Donnerstag Strafanzeige gegen die Rüstungsfirma Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar erstattet. Wie die Initiatoren Jürgen Grässlin und Christine Hoffmann mitteilten, würden der Firma Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, gegen das Außenwirtschaftsgesetz sowie Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Zuvor waren in Libyen Sturmgewehre G36 aufgetaucht, die nach Ansicht von Experten eindeutig aus der Produktion des deutschen Unternehmens stammen. Die Waffen waren von Rebellen beim Sturm der Residenz von Machthaber Muammar al Gaddafi erbeutet worden. In einem konkreten Fall geht es um eine Waffe, deren Seriennummer zwar ausgefräst war, die aber nachweislich im Jahr 2003, also vor Aufhebung des Embargos gegen das Gaddafi-Regime, hergestellt worden war.

Kampagnensprecherin Christine Hoffmann sagte, die Bundesregierung stehe in der Pflicht, drängende Fragen „zweifelsfrei zu klären: Hat die Firma Heckler & Koch eine G-36-Ausfuhrgenehmigung für Libyen erhalten? Wenn nein: Auf welchem Weg gelangten die Sturmgewehre nach Libyen?“ Hans-Christian Ströbele (Grüne), Mitglied des Parlamentarischen Gremiums des Bundestages zur Kontrolle der Geheimdienste, reichte eine Anfrage an die Bundesregierung ein, in der er insbesondere Aufklärung über eine mögliche Mitwirkung des Bundesnachrichtendienstes verlangte.

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem Tagesspiegel, die Bundesregierung und Heckler & Koch müssten „dringend für Transparenz sorgen und die Hintergründe der Waffenfunde von Tripolis klären“. Sollte sich herausstellen, dass das Unternehmen die Waffen an Gaddafi geliefert habe, wäre das ein riesiger Skandal. „Denn entweder wäre die Lieferung hochgradig illegal gewesen, oder sie würde – sollten staatliche Stellen daran beteiligt gewesen sein – gegen die Rüstungsexportrichtlinien verstoßen.“

Lesen Sie auf Seite 2, wie Heckler & Koch auf die Geschehnisse reagiert.

Der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Linkspartei) sagte dem Tagesspiegel, er wolle von der Bundesregierung „Auskunft über sämtliche G-36-Exporte einschließlich der Seriennummern, des Lieferdatums und der Empfänger“. Das Wirtschaftsministerium erklärte, man habe keine Erkenntnisse, auf welchem Weg die Waffen nach Libyen gelangt sein könnten. Heckler & Koch hatte erklärt, zu keinem Zeitpunkt Gewehre nach Libyen geliefert zu haben. Es erstattete seinerseits bei der Staatsanwaltschaft Rottweil Anzeige gegen unbekannt.

Sicherheitskreise vermuten, dass Gaddafi die Waffen nicht direkt aus der Bundesrepublik, sondern von einem Drittstaat erhalten hat. Nicht auszuschließen sei, dass der Diktator in einem anderen Land Entscheidungsträger bestechen ließ, um an die Gewehre zu kommen. Das könnte auch in einem Nato-Staat passiert sein, der die Waffen aus Deutschland erhalten hatte. Die EU hob derweil die gegen Libyen verhängten Sanktionen teilweise auf. Wie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kurz vor Beginn der internationalen Libyenkonferenz in Paris mitteilte, wurden die eingefrorenen Vermögen von 28 Unternehmen wie Banken, Häfen und Ölfirmen wieder freigegeben. Russland erkannte den Nationalen Übergangsrat der Rebellen als Vertreter Libyens an. Gaddafi selbst kündigte in einer Fernsehbotschaft an, sich „niemals ergeben“ und „den Kampf fortsetzen“ zu wollen.

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