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Am Ende. Die Tage der Koalition von Außenminister Karel Schwarzenberg, Premier Petr Necas und Radek John von der Partei für öffentliche Angelegenheiten (v. l.) sind gezählt.

© dapd

Tschechien: Ein Skandal zu viel

Korruption bei Prags kleinster Regierungspartei bringt die Koalition von Petr Necas ins Schlingern.

Die Prager Mitte-rechts-Regierung steht vor dem Aus. Die drei beteiligten Koalitionspartner um die Bürgerlich-Demokratische Partei ODS des Premierministers Petr Necas wollen ihre Koalition schon in den nächsten Tagen beenden. Neuwahlen sollen aber nach Möglichkeit verhindert werden. Die drei Parteien wollen überdies wichtige Punkte aus der Regierungserklärung noch gemeinsam durch das Parlament bringen. Regierungschef Necas hofft, bis zum Ende der Woche in Verhandlungen eine „stabile Mehrheit“ für eine neue Koalition zu finden.

Die seit Monaten wackelige Koalition ist wegen Skandalen beim kleinsten beteiligten Partner, der Partei für öffentliche Angelegenheiten (VV), endgültig zusammengebrochen. Die VV ist bei den Wahlen 2010 erstmals ins Parlament eingezogen, getragen vor allem von den Stimmen von Protestwählern. Besonders ihr Antikorruptionsprogramm hat der Partei viel Zuspruch gebracht; allerdings wurde sie seit dem Regierungsantritt von zahlreichen Korruptionsskandalen erschüttert, die sie selbst betrafen. Das Ende der Koalition steht im Zusammenhang mit dem jüngsten Fall: Vor wenigen Tagen wurde der Partei-Mitbegründer Vit Barta wegen Bestechung verurteilt. Die Fraktion ist daraufhin auseinandergebrochen.

Die Hoffnung von Premierminister Necas richtet sich jetzt auf eine Gruppierung von ehemaligen VV-Abgeordneten, die geschlossen aus ihrer Fraktion austreten wollen. Geführt von der bisherigen Vize-Premierministerin Karolina Peake, wollen die Parlamentarier eine eigene Plattform gründen, mit der sie die Regierung unterstützen. Später soll nach bisherigen Plänen aus dieser Plattform eine neue Partei hervorgehen.

Falls es zu Neuwahlen kommt, müssten die Mitte-rechts-Parteien nach aktuellen Meinungsumfragen mit einer empfindlichen Niederlage rechnen. Sowohl Petr Necas’ ODS als auch die Partei TOP 09 um den tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg würden weit abgeschlagen ins Parlament einziehen, die skandalgebeutelte Gruppierung für öffentliche Angelegenheiten käme nicht mehr über die Fünf-Prozent-Hürde. Eindeutige Wahlgewinner wären die oppositionellen Sozialdemokraten, denen ein Stimmenanteil von 37 Prozent vorhergesagt wird – und auch die kommunistische Partei, die in Tschechien noch weitgehend nicht reformiert ist und sich mit einem Zuspruch von 20 Prozent auf dem höchsten Stand seit dem Ende des Kommunismus befindet.

Die Linksparteien profitieren vom Unmut vieler Tschechen, der sich gegen die radikalen Sparpläne der derzeitigen Regierung richtet. Um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, soll unter anderem die Mehrwertsteuer zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit erhöht werden; überdies werden die Renten eingefroren, und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes müssen sich auf Gehaltskürzungen einstellen. Gegen diesen Sparkurs gingen am Wochenende in Prag rund 100 000 Demonstranten auf die Straße. Die Organisatoren der Demonstration, unter anderem der Gewerkschaftsbund, sprechen von der größten Protestaktion seit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989.

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