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Tschechien: Konservatives Lager liegt vorn

Überraschung bei Parlamentswahlen in Tschechien: Die großen Parteien sind nach den ersten Hochrechnungen regelrecht abgestürzt.

Mit nur knapp über 20 Prozent der Wählerstimmen haben sowohl die Sozialdemokraten (CSSD) als auch die Bürgerdemokraten (ODS) ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Großer Gewinner ist nach Auszählung fast aller Stimmen die konservative Partei Top09 des früheren Außenministers Karel Schwarzenberg, die erstmals angetreten ist. Aus dem Stand hat sie 16,6 Prozent erreicht. Im Abgeordnetenhaus sind weiterhin die Kommunisten (11,3 Prozent) und die neu gegründete konservative Partei Veci Verejne (Öffentliche Angelegenheiten/ 10,9 Prozent) vertreten. Denkbar sind jetzt eine konservative Koalitionsregierung unter dem ODS-Spitzenkandidaten Petr Necas oder eine sozialdemokratisch geführte Mitte-Links-Regierung.

Vor allem das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten war nicht vorhersehbar: Noch in den aktuellsten Meinungsumfragen vor der Wahl wurden sie als klare Sieger gesehen, deren Vorsprung möglicherweise zu einem rot-roten Bündnis mit den unreformierten Kommunisten gereicht hätte. Bis zu 30 Prozent sagten Meinungsforscher der CSSD voraus, bei der Wahl reichte es jedoch nur für 22,1 Prozent. Die Sozialdemokraten werden deshalb von Kommentatoren als große Verlierer der Wahl gesehen, wenngleich sie stärkste Partei sind und zwei Prozentpunkte vor der rivalisierenden ODS liegen.

Parteichef Jiri Paroubek, der als wahrscheinlichster neuer Premierminister gegolten hat, räumte in einer ersten Stellungnahme die Niederlage ein. „Es scheint, als hätten sich die Bürger eine Richtung ausgesucht, in die das Land gehen soll. Und das ist eine andere Richtung als jene, die die Sozialdemokraten angeboten haben“, sagte er. Paroubek kündigte kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse seinenRücktritt an.

Nach der tschechischen Verfassung ist jetzt Staatspräsident Vaclav Klaus am Zug. Er kann relativ frei entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. In Prag gelten zwei Optionen als wahrscheinlich: Entweder Klaus erteilt den Sozialdemokraten als stärkster Partei das Mandat oder der ODS, die als größte konservative Partei die besten Chancen auf eine ausreichende Mehrheit hat. Die neue Regierung wird dann das überparteiliche Beamtenkabinett ablösen, das seit dem Sturz der konservativen Regierung Topolanek vor 14 Monaten im Amt ist. Zu den Königsmachern dürften jetzt die zwei neu gegründeten konservativen Parteien werden, die erstmals ins Abgeordnetenhaus eingezogen sind.

Die Spitzenvertreter von beiden Parteien deuteten bereits ihre Bereitschaft an, sich an einer Regierung zu beteiligen. Ein Dreierbündnis mit der ODS hätte rechnerisch eine ausreichende Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Beide Gruppierungen haben im Wahlkampf auf den Kampf gegen die Korruption gesetzt. Sämtliche etablierten Parteien wurden in der Vergangenheit von Skandalen gebeutelt, was nach Ansicht von tschechischen Politologen zu ihrem dramatischen Absturz in der Wählergunst beigetragen hat. Wahlentscheidend waren nach Auffassung von Meinungsforschern die jungen Wähler. Sie haben offenbar massenhaft für die Partei Top09 gestimmt. Die Sozialdemokraten haben nach ersten Meinungsumfragen gerade einmal neun Prozent der Stimmen von jungen Wählern bekommen.

Sowohl die Grünen als auch die kleine christdemokratische Partei, die bislang im Abgeordnetenhaus vertreten waren, haben den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft. Die vorläufigen Endergebnisse der tschechischen Wahlen werden für den frühen Sonntagmorgen erwartet.

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