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Syrien ist mittlerweile diplomatisch isoliert. Sogar der langjährige Partner, die Türkei, hat sich inzwischen von der Assad-Regierung abgewandt.

© dpa

Türkei: Erdogan auf Rundreise durch arabische Revolutionsstaaten

Drei Tage tourt Recep Tayyip Erdogan nun durch den arabischen Frühling. Erst Kairo, dann Tunis und am Donnerstag Tripolis. Und dabei hat er ein klares Ziel.

"Die legitimen Rechte der Völker können nicht mit Blut und Gewalt unterdrückt werden", redete er am Dienstag in seiner als "historisch" angekündigten Rede den 22 Außenministern der Arabischen Liga ins Gewissen, von denen die meisten immer noch nichts hören wollen von Gewaltenteilung, Beteiligung der Völker sowie Abschied von despotischem Machtmissbrauch.

Und so trat Erdogan vor ihnen auf in der Rolle des abgeklärten und erfahrenen Staatsmannes, dessen wirtschaftlich prosperierende Nation ihren Wandel zu Demokratie bereits erfolgreich bewältigt hat und sich nun als Modell für den Aufbruch der arabischen Brüder anbietet. "Wir gehören alle zu einer großen Familie, wir haben vieles gemeinsam und erleben einen Wendepunkt in unserer gemeinsamen Geschichte", beschwor er vom Rednerpult herab die Runde, die sich am Dienstag im Kairoer Hauptquartier des arabischen Staatenbundes nahe dem Tahrir-Platz versammelt hatte. Der ganze Globus spreche inzwischen von der neuen Würde der arabischen Welt. Demokratie und Menschenrechte seien die Leitlinien der Zukunft, erklärte Erdogan und forderte alle arabischen Regime auf, ohne Verzögerung die notwendigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen anzupacken. "Wandel und Übergang zu Demokratie sind unabdingbar. Sie sind legitime Rechte der Völker."

Mit Erdogan angereist waren auch über 200 Geschäftsleute. Die Türkei möchte ihre Handelsbeziehungen zu Ägypten und Tunesien weiter ausbauen. Vor dem Volksaufstand waren in Libyen Firmen vom Bosporus auf 214 Baustellen tätig mit einem Auftragsvolumen von rund 11 Milliarden Euro, darunter dem Bau der bisher größten Shopping Mall des Landes im Süden von Tripolis. Gern vergessen machen möchte Erdogan heute, dass er zu Beginn des arabischen Frühlings wenig Ermutigendes an die Adresse der Revolutionäre zu sagen hatte. Zu Tunesien und Ägypten hielt er sich bedeckt, in Libyen blieb Ankara anfangs sogar nahezu ungeniert an der Seite Gaddafis, um die lukrativen türkischen Projekte nicht zu gefährden. Erst nach Monaten Bürgerkrieg in Libyen und erst nach Beginn der Unruhen beim direkten Nachbar Syrien fand Erdogan dann zu klarer Kritik an den Regimen von Muammar Gaddafi und Bashar al-Assad.

Trotzdem wurde der türkische Premier bei seiner mitternächtlichen Ankunft in Kairo von einer tausendköpfigen Menge wie ein Volksheld gefeiert. Denn in der arabischen Welt trägt ihm vor allem seine harte Haltung gegenüber Israel Bewunderung und Zustimmung ein. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor gut zwei Jahren verließ er eine Podiumsdiskussion mit Israels Präsident Shimon Peres aus Protest gegen Israels Gazakrieg. Nach dem Angriff auf eine Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010 verlangte er eine offizielle Entschuldigung für den Tod von neun türkischen Aktivisten durch ein israelisches Marinekommando. Vor zwei Wochen dann warf Erdogan Israels Botschafter demonstrativ aus dem Land und kündigte an, er werde die nächsten türkischen Hilfsschiffe in Richtung Gazastreifen von Fregatten schützen lassen. Wenige Stunden vor seiner Abreise nach Kairo erklärte er sogar gegenüber Al Dschasira, Israels Angriff auf das Hilfsschiff Mavi Marmara sei eigentlich Anlass für einen Krieg gewesen. „Aber wir entschieden uns, mit türkischer Großzügigkeit zu reagieren und bewiesen Geduld“.

Gleichzeitig aber möchte Erdogan die Türkei als politische Schutzmacht etablieren für eine Staatsgründung der Palästinenser, die nächste Woche beim UN-Sicherheitsrat die Aufnahme als 194. Mitglied der Vereinten Nationen beantragen wollen. Ein palästinensischer Staat sei keine Option, sondern eine Verpflichtung, verkündete Erdogan bei seiner knapp 30-minütigen Grundsatzrede. Der jetzige Zustand könne einfach nicht mehr so weitergehen. Israel aber zahle nun den Preis dafür, dass es internationales Recht missachte und die menschliche Würde der Palästinenser mit Füßen trete. Der Regierung Netanjahu hielt er vor, sie führe ihr Land immer tiefer in die Isolation hinein. Das aber bedeute, „dass auch Israels Bürger nicht mehr sicher sind“.

Mit diesen Worten jedoch platzierte Erdogan die Türkei ausgerechnet in Kairo zum neuen Hauptrivalen von Ägypten im Ringen um die politische Vorrangstellung im Nahen Osten. Erdogans Besuch ist der erste eines türkischen Regierungschefs am Nil seit 15 Jahren. Und mag im Augenblick auch die gemeinsame Konfrontation mit Israel die Rivalitäten zwischen den beiden regionalen Schwergewichten überdecken, die traditionellen Spannungen könnten schon bald wieder aufbrechen. Denn neben Israel ist auch Ägypten nach wie vor an der Abriegelung des Gazastreifens aktiv beteiligt, die Erdogan in Kairo erneut mit scharfen Worten geißelte. So machte er nicht nur eine offizielle Entschuldigung Israels für den Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte zur Bedingung für eine neuerliche Normalisierung der Beziehungen, sondern auch „die Aufhebung der Blockade des Gazastreifen“. Einen Gaza-Besuch mit Einreise über Ägypten ließ der türkische Premier dann doch noch in letzter Minute aus dem Programm streichen - wie es heißt auf Drängen seiner ägyptischen Gastgeber sowie von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Beide wollten ihr angespanntes Verhältnis zu Israel auf Druck der Türkei nicht noch weiter belasten.

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